Melinda, freshman an der Merryweather High, ist von Anfang an eine Außenseiterin, hat sie doch im Sommer davor die Polizei zu einer Party geholt und ist dann verschwunden. Selbst einstige Freundinnen verfolgen sie mit einem innigen Hass, und Melinda, die weder eine gute Schülerin ist noch ein glückliches Zuhause hat, verstummt in ihrem Leid immer mehr. Sie, die nie gesprächig war, hat kaum noch Möglichkeiten auszudrücken, worunter sie leidet, worüber sie sich allenfalls freut. Allmählich erfahren wir, dass ihre Angst auch einen Namen hat: Andy, der sich für unwiderstehlich hält, hat sie bei der Party vergewaltigt; auch damals haben ihr Angst und Hilflosigkeit die Kehle zugeschnürt, und ihr Stummsein wurde von Andy als Zustimmung interpretiert. Melindas langer Weg, wieder Sprache (in welcher Form auch immer) zu gewinnen, beginnt ...

Gewiss, ein unerfreuliches Thema, aber Anderson, die mit diesem Roman unter den National Book Award Finalists zu finden war, hat insofern eine Meisterleistung vollbracht, als sie Melindas Stummsein mit einer ungeheuer scharfsinnigen, pointierten – und damit bisweilen auch durchaus launigen – Beobachtungsgabe konterkariert hat. Was Melinda über den Schulbetrieb, die amerikanische Schulkultur (von Sport bis Cheerleading, von Fremdsprachenunterricht bis Statusdenken) zu sagen hat, gehört zum Gelungensten, was ich in Jugendromanen je über den amerikanischen Schulbetrieb gelesen habe. "Speak" schafft damit den Spagat, den viele Bücher nicht schaffen – eine tiefe Verletzung zu behandeln und gleichzeitig doch geistreich und unterhaltsam zu sein. Kurze, prägnante Einheiten und ein Stil, der die ganze Sprachlosigkeit und Trauer kongenial einfängt, tragen sicher zum Erfolg des Romans bei.