this is all. The Pillow Book of Cordelia Kenn

In der Art der japanischen Kopfkissenbücher zeichnet Cordelia Kenn (19) ihr bisheriges Leben auf, damit sie, die gerade schwanger ist, später, wenn ihre Tochter 16 sein wird, gemeinsam mit ihr auf den Werdegang zurückblicken kann. Sechs Bücher sind es, wobei das letzte von ihrem Weggefährten und ...

In der Art der japanischen Kopfkissenbücher zeichnet Cordelia Kenn (19) ihr bisheriges Leben auf, damit sie, die gerade schwanger ist, später, wenn ihre Tochter 16 sein wird, gemeinsam mit ihr auf den Werdegang zurückblicken kann. Sechs Bücher sind es, wobei das letzte von ihrem Weggefährten und späteren Mann Will stammt – der Grund dafür sei hier allerdings verschwiegen, denn er hängt auch mit der überraschenden Wendung, die der Roman nimmt, zusammen.

Cordelia zeichnet also auf: ihre Lebensumstände als Halbwaise (der Vater heiratet dann ausgerechnet die Lieblingstante), ihre Pläne, Will mit 16 für sich zu gewinnen, damit sie ihre Jungfernschaft verliert; vom Gelingen der Pläne; von den Rückschlägen und der Entfremdung; von der Affäre mit einem deutlich älteren Mann; von der Freundschaft zu ihrer Englischlehrerin; vom Leben und der Adoleszenz überhaupt; von den Freuden und Schwierigkeiten, den Höhen und Tiefen, die das Leben so ausmachen. Dazwischen findet sich eine Vielzahl an Wissenswertem, an unterhaltsamem und nutzlosem Wissen, an Beobachtungen, an Reflexionen (zB über Lehrer – sehr gelungen), an Einschübseln und Einsprengseln. Besonders die Lektüre des zweiten Buches (immerhin 200+ Seiten) wird dadurch sehr anstrengend, da auf jeweils der linken/rechten Seite ein eigener Text fortläuft.

Cordelia ist mir sehr zwiespältig gegenüber getreten. Einerseits ist es bewundernswert, mit welcher Offenheit und Akribie, mit welcher Neugier und positiver Grundhaltung sie ihr Leben aufzeichnet; andererseits schrammt sie damit immer wieder am Altklugen, am besonders Reifen, am – bei allen 'tantrums' – oh doch so Vernünftigem vorbei, dass sie einem fast unheimlich wird. Immerhin ist sie am Beginn des Buches erst 16 und muss nicht schon alle Attitüden und Allüren von Dreißigjährigen zeigen. Andererseits macht sie dieses Powerfrau-Gehabe (und trotzdem verletzlich, eben) auch wieder sympathisch – für Leserinnen vermutlich noch mehr als für Leser, für Jugendliche sicher mehr als für Alte wie mich. Ob es da auch die Krimihandlung, die Chambers relativ spät (und relativ kurz) einbaut, gebraucht hätte, sei dahingestellt; Cordelia ist ein ausreichend differenzierter, interessanter Charakter, der auch mich immer mehr und mehr überzeugt hat, und sie gehört sicher zu den ganz wichtigen Figuren der gegenwärtigen Jugendliteratur.

Bleibt nur die Frage, wie viele sie auch wirklich kennen lernen werden, denn auch ich habe einige Zeit gebraucht, bevor ich mich an die 800 Seiten gewagt habe. Und Potter-Leser/innen, die ja solche Mengen gewöhnt sind, stürzen sich ja vermutlich nicht gerade auf diese Kost, die vergleichsweise Slow Food zum Potter-Action-Menu ist. Ich bereu es jedenfalls nicht, das Buch gelesen zu haben, und kann nur alle, die wenigstens ein bisschen an Lese-Herausforderungen interessiert sind, nachdrücklich auf diesen Roman hinweisen.

The Bodley Head 2005

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.09.2007
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/yan-young-adult-novels/selbstfindung/detail/this-is-all-the-pillow-book-of-cordelia-kenn.html
Kostenpflichtig
nein