Guantamo Boy
Schon das Cover verspricht das Unübliche – und wir bekommen es auch geliefert.
Khalid ist ein 15-jähriger Engländer, dessen Eltern aus Pakistan stammen. Der Vater arbeitet in einem Restaurant (bei Manchester), die fünfköpfige Familie lebt einigermaßen sorglos. Vor allem Khalid wird als typische ...
Schon das Cover verspricht das Unübliche – und wir bekommen es auch geliefert.
Khalid ist ein 15-jähriger Engländer, dessen Eltern aus Pakistan stammen. Der Vater arbeitet in einem Restaurant (bei Manchester), die fünfköpfige Familie lebt einigermaßen sorglos. Vor allem Khalid wird als typischer Teenager präsentiert: Fußball, Herumhängen, über Mädchen reden, Parties feiern – was man halt so tut in der Kleinstadt. Religion, Pflichterfüllung (der Lebensinhalt seines Vaters – bis hin zum obsessive Schuhe putzen), Respekt zeigen – all das interessiert ihn nur peripher. Im Großen und Ganzen gelingt es ihm ganz gut, die Ansprüche seiner muslimischen Familie und des Alltags unter einen Hut zu bringen.
Die Wende kommt mit einem Besuch bei Verwandten in Karachi. Khalid wird wegen eines Computerspiels (Bomber Two) vom Geheimdienst entführt und landet im Gefängnis in Kandahar, von wo aus er schließlich nach Guantanamo transportiert wird. Gefoltert, absolut rechtlos, nicht nur verzweifelt, sondern am Rande des Wahnsinns, verbringt er zwei Jahre seines Lebens unter unmenschlichen Bedingungen, und es dauert, bis er erstens seine Würde und zweitens seine Freiheit (die nie mehr unbelastet sein wird) wieder findet.
Perera ist es gelungen, ein aufrüttelndes Buch zu schreiben, das uns ein völlig anderes ‘coming of age’-Erlebnis beschert, als wir sonst aus der Jugendliteratur gewöhnt sind. Khalid wird nicht wirklich gebrochen, aber weiser, trauriger und vielleicht ein bisschen zu resignativ. Dass er am Ende Schuhe putzt, wünschen wir uns natürlich nicht, wenn das ein Indikator dafür ist, dass er sich nun den überbescheidenen Vater zum Vorbild nimmt und sich in der Familien-Geborgenheit isoliert. Überhaupt merkt man Pereras Erstlingswerk bisweilen den Hang zum Klischee an: Zu bemüht ist ihre Darstellung von Khalid als ‘the ordinary guy like you and me.’ Zu rasch sind die Antworten am Ende. Dafür werden wir zwischendurch mit so viel an (auch sprachlich) gelungenen Szenen belohnt, dass wir ihr diese Lernfehler gerne verzeihen können. Gleichzeitig bietet das Buch unendlich viel Diskussionsstoff. Wenn es etwa heißt:
„Politics and culture must not be confused with religion... let us not forget, Khalid, that as we speak, men and women in America are being sentenced to death... Do you blame Christianity for this?“
Vielleicht doch auch?
Oder aber: Wie funktioniert die Grausamkeit, wie die Menschenverachtung? Denn die Soldaten sind zum Teil ‚nice guys‘, die geglaubt haben, sie verdienen sich ein bisschen was dazu.
Übrig bleibt ein Buch, das es sowieso heutzutage viel zu selten gibt – nämlich eines, das über persönliche Befindlichkeiten hinausweist und auf spannende Weise politisch ist. Lesenswert!
Puffin 2009; pp. 340