Kissing the Witch: Joanna Cotler Books
Manchesmal dauert es Jahre, bis man auf ein Buch stößt, das man schon längst gelesen haben sollte. Dies gilt in besonderem Maße für diesen Band, in dem die irische Schriftstellerin Emma Donoghue 13 Märchen neu erzählt. Sie alle sind miteinander verbunden, sie ...
Manchesmal dauert es Jahre, bis man auf ein Buch stößt, das man schon längst gelesen haben sollte. Dies gilt in besonderem Maße für diesen Band, in dem die irische Schriftstellerin Emma Donoghue 13 Märchen neu erzählt. Sie alle sind miteinander verbunden, sie alle verabschieden sich vom Konzept der Brüder Grimm und der Sisters Grimmer, sie alle handeln von Liebe, Abschied, Beziehungen – und sie alle sind ganz wunderbar erzählt, mit so viel Tiefgang und Wehmut, dass mir die Empfehlung 12+ oder gar 10+, die ich immer wieder gelesen habe, schlichtweg falsch erscheint, weil es Dinge zu entdecken gibt, die 10-12-jährige vermutlich überfordern.
In Donoghues Geschichten dominieren die Frauen. Prinzen werden verlassen oder haben nie eine Chance, sind bestenfalls ein 'meal ticket', haben aber keine Herrschaftsfunktionen mehr. Aschenbrödel läuft mit der Fee davon und wirft ihren zweiten Schuh achtlos weg, Schneeweißchen
ist ihrer Stiefmutter enger verbunden, als sie vorerst wahr haben will. Zahlreiche Beziehungen sind lesbische Beziehungen, alle sind intensiv, schmerzhaft, glücklich – wie eben echte Beziehungen so sind, in allen geht es um Identität, Selbstfindung, Sehnsucht und Begierde. Durch einen kleinen erzählerischen Kunstgriff geht eine Geschichte nahtlos in die andere über, und so entsteht für uns ein Panorama weiblicher Märchen-Revision. Wenn Sie keine Schüler/-innen für diesen Band begeistern können (was mich eigentlich wundern würde), dann versagen Sie ihn wenigstens sich selbst nicht. Lesenswert!