Man mag denken, dass Boyne ein bisschen zu sehr verniedlicht hat, dass der Trick, die Geschichte zu beenden, zu didaktisch ist ("a fable" nennt er sein Buch), zu sehr ans Herz rühren soll – aber immerhin ist die Erzählperspektive die eines Neunjährigen, der eine eigene Wahrnehmung der Welt hat.

Die Welt, das ist zunächst das fünfstöckige Haus in Berlin, in dem Bruno mit seinen Eltern (Vater: hochrangiger Soldat) und seiner Schwester Gretel (13) lebt – zufrieden und glücklich, wenn auch nicht ganz sorglos. Doch dann wird sein Vater nach Out-With versetzt, the Fury hat ihn an diesem Ort zum Kommandanten gemacht. Bruno hasst es dort: keine Freunde, keine Spielmöglichkeiten. Da entdeckt er eines Tages auf der anderen Seite des Zaunes Menschen, macht sich auf eine kleine Erkundungsreise und lernt Shmuel kennen, einen abgemagerten Buben in einem gestreiften Pyjama; Shmuel ist genauso alt wie Bruno, aber da er auf der anderen Seite des Zaunes lebt, können sie nicht miteinander spielen. So bringt ihm Bruno essen und sie reden eben miteinander; bis Bruno sich, vor seiner Rückkehr nach Berlin, zu einem gemeinsamen Abenteuer mit Shmuel entschließt….

Es funktioniert – auch wenn wir sehr bald wissen, wo wir gelandet sind, so schafft es Boyne doch, dass wir das ganze Buch hindurch die Perspektive des kleinen Bruno halten können. Und eben diese naiv-selbstbewusste Kindlichkeit, mit der eine schreckliche Geschichte erzählt wird, macht das Buch so lesenswert, gibt uns eine ziemlich neue Facette der Jugendliteratur zum Thema Nationalsozialismus und Konzentrationslager. Der Verkaufserfolg des Buches beweist auch, dass Boyne einen Nerv getroffen hat, indem er einfach einen neuen Rahmen, vor allem aber eine neue Erzählperspektive geschaffen hat. Fast müßig, dem Buch großen Erfolg zu prophezeien – der ist offensichtlich schon da.