Lutzeiers Buch ist bereits 1993 zum ersten Mal erschienen, aber die Neuauflage vor ein paar Jahren war – trotz veränderter, sprich, noch härterer Bedingungen für Emigrantinnen und Emigranten – durchaus gerechtfertigt.

Erzählt wird die Geschichte der dreizehnjährigen Aysha aus Bangladesh, die bei ihren Großeltern und ihrer Mutter aufwächst und meint, ihr Vater führe in London ein Leben im Wohlstand. Damit Aysha die Chance auf eine gute Ausbildung hat, ziehen Ehefrau und Tochter nach London – um dort festzustellen, dass der Vater als Flüchtling sein Leben fristet, dass vom Wohlstand keine Rede sein kann und dass das gepriesene Land heillos überfordert ist. Als Aysha endlich eine Schule besuchen kann, wird ihr ein Schild umgehängt, auf dem 'No Language' steht. Sie, die willig ist zu lernen, die Talent in Mathematik zeigt, wird schlicht und einfach stumm gemacht. Der Vater arbeitet den ganzen Tag, die Mutter sitzt zu Hause, die Tochter kämpft ums Fortkommen. In diesen tristen Verhältnissen stehen alle einander im Weg; die Kultur der Heimat lässt sich nicht einfach behalten, die neue Kultur zeigt sich abweisend, die Vertreter/-innen des Neuen (die ausländerfeindlichen Jugendlichen) sind nur zum Teil böse, zum Teil sind sie einfach überfordert.

Lutzeier lässt – wie es sich in so einem Jugendbuch gehört – den Silberstreif am Horizont; der ist mittlerweile, wie wir wissen, deutlich schmäler geworden. Aber auch schon in diesem Roman gehört viel Mut dazu, sich einen Platz in der neuen Gesellschaft zu suchen. Und die kleinen Gedankenlosigkeiten sind es, die oft am erschreckendsten wirken. Genau die baut aber Lutzeier sehr gekonnt ein, sodass das Buch immer noch lesenswert ist. Nicht zuletzt deshalb findet es sich auch bei der "Multiculturalism"-Unit im neuen MYW 6.