Spinners
Donna Jo Napoli hat bereits einige Märchen in neue Form gewandet, und meines Wissens ist "Spinners", das sie gemeinsam mit Richard Tchen geschrieben hat, ihr bislang letzter Versuch des Neu-Erzählens. Dabei geht es Napoli nicht um Aktualisierungen, sondern darum, das Umfeld der uns vertrauten Er ...
Donna Jo Napoli hat bereits einige Märchen in neue Form gewandet, und meines Wissens ist "Spinners", das sie gemeinsam mit Richard Tchen geschrieben hat, ihr bislang letzter Versuch des Neu-Erzählens. Dabei geht es Napoli nicht um Aktualisierungen, sondern darum, das Umfeld der uns vertrauten Erzählungen auszuleuchten und sie in einen (leicht) verschobenen Kontext zu stellen, in dem die Konturen aber viel schärfer werden als in den Fassungen der Gebrüder Grimm.
"Spinners" erzählt Rumpelstilzchen neu, und je weiter wir voranschreiten, desto originalgetreuer wird die Geschichte, desto mehr sehnen wir uns nach einem twist, der dem Rumpelstilzchen Gerechtigkeit widerfahren lässt.
Das Buch beginnt mit der Liebesgeschichte zwischen einem Schneider und einer schönen Weberin; der Vater der Weberin will sie aber dem reichen Müller als Ehefrau geben; prahlend meint da der Schneider, er könne dem Mädchen ein Hochzeitskleid aus Gold machen. Die Wette gilt, er macht das Kleid - und verliert das Mädchen. Als Krüppel zieht er in die Welt und weiß, dass er eine Tochter zurücklässt, bei deren Geburt die Mutter gestorben ist.
Saskia, das schöne Mädchen, muss für den König Stroh zu Gold machen, weil der Müller geprahlt hat; schon wähnt sie sich dem Tod nahe, da kommt der verkrüppelte Schneider und Weber und hilft ihr...
Wir kennen die Geschichte, wir kennen aber nicht das Beziehungsgeflecht der Figuren untereinander. Und hier liegt die Stärke des Buches: fremd bleiben und doch Vorgänge verständlich machen, auch wenn sie ihrer eigenen Logik folgen mögen. Erwarten Sie also mehr als nur eine Ausgestaltung des Märchenstoffes - Napoli und Tchen weben einen eigenen Stoff, und sollten Sie je an ein Märchenprojekt denken, dann sind dieses Buch und die anderen Neufassungen Napolis Pflichtlektüre. (Vgl. dazu auch die Rezension des Buches von Jack Zipes im Newsletter vom August 2002.)