My Brother’s Name Is Jessica
Autor BOYNE, John
Verlag Puffin 2019
Boyne, allseits bekannt durch „The Boy in the Striped Pyjamas”, hat bereits mehrere Jugendbücher geschrieben (s. Archiv), diesmal ein ziemlich unterhaltsames zum Thema Transgender. Die Puristen aus der Transgender-Community haben Boyne sofort attackiert, weil er bloß schwul, aber nicht trans ist.
Wenn wir immer darauf warten, dass jemand aus einer bestimmten Community z. B. einen Roman schreibt, dann wäre die Welt der Literatur ziemlich arm dran. Fontanes Frau war nicht Effi und duelliert hat er sich auch nicht; und Stoker war bekanntlich kein Vampir. (Okay, schwacher Scherz.)
Wie auch immer: Der Roman ist aus der Perspektive des 13jährigen Sam Waver geschrieben, der seinen Bruder Jason verehrt. Jason ist gutaussehend, cool, der beste Fußballspieler weit und breit etc. Doch eines Tages erklärt er der Familie, dass er lieber ein Mädchen wäre. Totales Unverständnis rundherum: Sam ist überfordert, wird noch dazu gehänselt; die Eltern sind politisch hoch aktiv, die Mutter könnte sogar Premierministerin werden. Das ergibt nicht nur zusätzliche Spannungselemente, das sorgt auch für einige Komik, denn die Eltern sind in ihrem Unverständnis ziemlich überzeichnet. Jason verschwindet eines Tages, Sam sucht ihn bei einer Tante auf, aber dort findet sich nur eine Jessica. Die Situation spitzt sich weiterhin zu – und klar, dass ich die Auflösung nicht verrate.
Jason bleibt ein bisschen blass als Charakter, der Roman ist vielmehr eine Studie des kleinen Bruders, der, naturgemäß, die Wendung nicht so leicht verkraften kann. Warum das ein Transsexueller hätte viel besser schreiben können, ist mir ein Rätsel. Oder hätte es gar ein Dreizehnjähriger schreiben müssen?
Mich nerven diese Aufschreie wegen diverser Appropriierungen. Meines Erachtens hat Boyne gute Literatur, die einem prodesse et delectare folgt, verfasst, und für jene, die sich mal auf einfache Art mit dem Thema auseinandersetzen wollen, ist das gut genug.
pp. 242 | 4./5. Klasse