Bloodtide
"Bloodtide" basiert auf der um 1260 entstandenen "Geschichte der Völsungen", einer blutrünstigen Saga, in der Odin als Stammvater des Völsungen-Geschlechts erscheint. Im Mittelpunkt des ersten Abschnitts stehen Sigmund und dessen Zwillingsschwester Signy, aus deren inzestuöser verbindung Sinfjöt ...
"Bloodtide" basiert auf der um 1260 entstandenen "Geschichte der Völsungen", einer blutrünstigen Saga, in der Odin als Stammvater des Völsungen-Geschlechts erscheint. Im Mittelpunkt des ersten Abschnitts stehen Sigmund und dessen Zwillingsschwester Signy, aus deren inzestuöser verbindung Sinfjötli stammt. An diesen Teil schließt sich die Wiedergabe des eigentlichen Nibelungenstoffes an.
Burgess, durch sein Buch "Junk" weithin bekannt, hat das Motiv in ein fernes, weitgehend zerstörtes Groß-London verlegt. Dort kämpfen Warlords um die Vorherrschaft, und die Mächtigsten sind die Volsons und die Conors. Um die Bevölkerung gegen die Halbmenschen und eine nicht näher definierte Regierung, die sich von den Städten abgewandt hat, zu einigen, verspricht Val Volson seine vierzehnjährige Tochter Signy an Conor. Zu ihrem eigenen Erstaunen verliebt sich Signy in Conor und träumt von einer friedvollen Zukunft. Als sich herausstellt, dass Conor alles nur inszeniert hat, um die Vorherrschaft zu übernehmen, und nur ein gebrochener Siggy, Signys Zwillingsbruder, das Gemetzel überlebt, ist Signy nur mehr von einem Gedanken besessen: Rache. Gemeinsam mit Cherry, einer Shapeshifterin, die mit Loki im Bunde steht, feilt sie jahrelang an ihren Vergeltungsmaßnahmen (von denen ich hier nicht allzuviel verraten will), während Siggy bei den Halbmenschen davinvegetiert. Erst ein geklonter Sohn und der Widerstandskampf der Hundemenschen bringen ihn wieder ins grausame Spiel. Die Auseinandersetzung zwischen den Volsons und Conor treibt auf den Höhepunkt zu, aber auch die Konfrontation der Zwillinge nach so vielen Jahren des Leidens und der Entfremdung ist nicht zu vermeiden.
Burgess hat, vorlagengetreu, keine Grausamkeiten ausgespart, und es wird nach Herzenslust gemordet, gehenkt, verstümmelt. Gleichzeitig lernen wir aber, dass Rache und Hass ebenso so stark aneinander binden wie Liebe und dass es manchmal schwierig sein kann, die Grenzen dazwischen aufrecht zu erhalten. Wir lernen auch, dass die Rache der Frau grausamer und hingebungsvoller ist als die des Mannes. Das alles hat Burgess in einen durchaus spannenden Roman hineinverpackt, der natürlich von der Wucht seiner Vorlage lebt, der allerdings auch mit etwas mehr Tempo hätte anlaufen können. Zudem verzettelt sich Burgess bisweilen und erzählt uns zu viele Episoden, um das Geschehen voranzutreiben. Etwa hundert Seiten weniger hätten dem Roman vermutlich nicht geschadet und die ohnehin schon große Leser/-innenschaft mit Sicherheit erweitert. Aber es finden sich bestimmt auch Schüler/-innen, die sich durch die 370 Seiten mit Schwung hindurchlesen werden.