Gleich vorneweg: Das Buch wäre ganz ausgezeichnet, wäre es um hundert Seiten kürzer. Ich weiß, Charaktere wollen entwickelt sein, und das hat Downham gründlich gemacht, aber die dauernden Selbstzweifel der Protagonistin, ihr ewiges Sich-Entschuldigen sind doch etwas übertrieben.

Protagonistin ist Katie, ein Mädchen, das knapp vor seinen Abschlussprüfungen steht (von der Mutter Caroline eifrig angetrieben). Katie muss sich auch um ihren jüngeren Bruder Chris, der „special needs“ hat, kümmern; die Familie ist ohnehin leicht zerrüttet, weil der Vater vor einiger Zeit mit einer jüngeren Frau fort ist.

Da taucht plötzlich Mary auf, Carolines Mutter; ihr Lebensgefährte Jack ist gestorben, und Caroline ist die einzige Verwandte der an (leichter?) Demenz erkrankten Frau. Während Caroline die Fürsorge als Zumutung empfindet, wurde sie doch von ihrer Mutter nach der Geburt an deren Schwester Pat weitergereicht, ist Katie fasziniert von der Großmutter; sie will die Vergangenheit ergründen, stößt aber bei Caroline auf erbitterten Widerstand; langsam rekonstruiert sie mit Mary zahlreiche Erinnerungslücken: die frühe Schwangerschaft, das ledige Kind, der Versuch, aus dem Mief der Nachkriegszeit auszubrechen etc. etc.

Gleichzeitig kämpft Katie mit ihren eigenen Identitätsproblemen; sie hat ihre Freudin geküsst und wird nun als Außenseiterin behandelt; sie freundet sich mit der viel selbstbewussteren Simona an, die trotz aller Widrigkeiten ihre Homosexualität nicht verbirgt. Mit Mary und Simonas Hilfe versucht Katie, mit ihrem Leben zu Rande zu kommen; wie wir alle wissen – ein mühseliges Unterfangen, aber die Schritte vorwärts werden immer größer. Bleibt nur noch das Geheimnis zu lösen, warum Mary so eine „Rabenmutter“ war….

Man sieht – ein komplexes Buch, das seine Seitenanzahl braucht. Trotzdem kostet die Lektüre mehr Mühe, als man erwartet; daher: keine Kost für alle, aber durchaus lesenswert.

pp. 437 | 5. Klasse