Die Ereignisse hier spielen 20 Jahre nach dem ersten Book of Dust (s.Archiv). Lyra ist eine Studentin in Oxford, Malcolm ein Professor. Die Zeiten werden rauer – auf der politischen, der wirtschaftlichen, der persönlichen Ebene. Politisch werden die Katholen wieder stärker, Lyras Onkel ist der Oberschurke. Bonnevilles Sohn wird auf sie angesetzt. Wirtschaftlich wird gegen Rosenöl vorgegangen, mit dessen Hilfe man angeblich ‚dust‘ sieht; ein Großkonzern geht gegen Rosenzüchter vor, talibanseke Figuren stehen in seinem Sold. Die Antworten liegen im Osten, daher machen sich Malcolm und Lyra (getrennt) dorthin auf. Lyras anders Motiv ist, dass sie ihren Daimon Pan suchen muss, denn der hat sie – nach einer längeren Phase der Entfremdung – verlassen. Lyra kam ihre Einbildungskraft abhanden, sie hat sich von (pseudo)rationaler Lektüre verführen lassen. Ohne Daimon zu reisen ist gefährlich, und Lyra muss zahlreiche Abenteuer bis zum unvermeidlichen ‚cliffhanger‘ bestehen. Dass Pullman dabei auch versucht ist, bei realen Machtverhältnissen zu flunkern, zeigt sich etwa daran, dass ‚robust ladies‘ den Geheimdienst mit Schürhaken vertreiben – als wenn das so einfach wäre.

Wie auch immer – abgesehen von den zahlreichen Abenteuern mit zahlreichen Verzweigungen ist der Band außerdem ein politisches Buch: Immer wieder muss man an Gotteskrieger, Trump, die katholische Kirche denken, selbst wenn das nicht so ausgesprochen wird. Die Welt verkleinert sich gerade so, als ob man in der Türkei oder Ungarn wäre oder also ob man dem Trumpismus mit all seinen Lügen ausgeliefert wäre. Ob sich da die Geschichte einer „pluckly little heroine“ (wie uns das LOTR mit dem hero vorgezeichnet hat) ausgehen wird, das wird sich wohl im dritten Band zeigen müssen. Gegen alle Vernunft wünschen wir uns das natürlich. Aber da Pullman seine Anleihen auch bei Spenser nimmt – wer weiß, was da noch auf uns zukommen kann. Vorfreude und Neugier sind angesagt.

pp. 687 | 5./6. Klasse