Rinka, die in einem Rechtsanwaltsbüro arbeitet und mit einer Freundin zusammenlebt, ist vergewaltigt worden. Nach außen hin wirkt sie bloß verschlossener, mitunter schwieriger, aber nach innen ist ihre Welt völlig aus den Fugen geraten. Nicht nur ihr Körper scheint ihr plötzlich fremd, auch ihre Umgebung, jedes Geräusch, Gesten, Blicke, die eigene Familie haben die Vertrautheit verloren, denn sie könnten nur Maske sein für anderes.

Es dauert, bis sie der Mutter davon erzählt, die nicht damit umgehen kann, es dauert noch länger, bis sie den Freundinnen davon erzählt, die mit ihr dann Vergeltung planen. Es dauert am längsten, wieder mit Männern umgehen zu lernen; jene Freunde, die von ihrer Vergewaltigung wissen, reagieren knapp, unbeholfen, unsensibel. Rinka muss sich lange mühen, die Welt, die Personen darin, vor allem aber sich selbst und ihren Körper wieder akzeptieren zu können.

Es ist keine schöne Welt, in die uns Tuckermann in diesem schmalen Band mitnimmt, aber es gelingt ihr, sehr glaubhaft darzustellen, wie plötzlich jemandem durch einen Gewaltakt völlig der Boden unter den Füßen entzogen wird, wie Rinka auf einmal die Welt, wie sie sie bisher wahrgenommen hat, nicht mehr wiedererkennt. Das Buch zeigt, indem es sich nicht auf den Vorfall, sondern auf das Zurechtkommen mit den Folgen konzentriert, sehr anschaulich, wie nachhaltig Rinkas Welt erschüttert wird, wie viel mehr als einen einzelnen Gewaltakt eine Vergewaltigung bedeutet. Tuckermanns Buch scheint mir sowohl für paralleles Lesen (gruppenweises Lesen zu einem Thema) als auch als gemeinsame Klassenlektüre geeignet.