Falsch gedacht

Pruetz, einer der Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises, entführt uns in die DDR des Jahres 1976. Der sechzehnjährige Wolfgang kommt von einem Provinznest an die Humboldt-Universität, wo er in einer mathematischen Spezialklasse auf das Abitur vorbereitet wird. Schnell schließt er Freunds ...

Pruetz, einer der Gewinner des Deutschen Jugendliteraturpreises, entführt uns in die DDR des Jahres 1976. Der sechzehnjährige Wolfgang kommt von einem Provinznest an die Humboldt-Universität, wo er in einer mathematischen Spezialklasse auf das Abitur vorbereitet wird. Schnell schließt er Freundschaft mit Mitschülerinnen und Mitschülern, vor allem mit dem Pastorensohn Matti, dem genialen Bruce, der Bonzentochter Cordula, die vom Nomenklatur-Luxus weg will. Auch mit einer Sängerin, Jeanette, freundet er sich an, Matti verliebt sich gar in sie.
Das Leben der Jugendlichen pendelt zwischen ernsthafter Auseinandersetzung mit Mathematik und Literatur, mit Philosophie (Marxismus-Leninismus natürlich) und Musik. Gleichzeitig ist es voll von (verbotenen) Feiern, Besäufnissen, Liebesabenteuern, Regelübertretungen.
Als die Polizei auf Jeanette angesetzt wird, als Bruce die offiziellen Daten, die die Ministerin für eine DDR-Lobeshymne braucht, anzweifelt, da zeigt sich jedoch, dass das "Spiel" mit der Politik die eigene Existenz in Gefahr bringen kann. Aber Auswege können auch im so genannten totalitären System gefunden werden...
Wie war also Jungsein, damals in der DDR, zu einer Zeit, als hier die Maoisten und Trotzkisten, die Kommunisten und die Sozialisten nach Herzenslust ihre Ideen vertreten konnten? Nicht so schlimm, wie man es uns weisgemacht hat; ein bisschen so, wie im Österreich von heute, wo Spitzelaffären und Bürgerwehren für ein neues Klima der Überwachung sorgen und die Regierung dies z. T. für beachtenswerte Ideen hält. Dem Überwachungsstaat zu entfliehen war damals natürlich schwieriger, die Existenzgefährdung größer, aber Pruetz zeichnet das Bild einer selbstständigen Jugend, die eine Handvoll Ideale verwirklicht sehen möchte, die sich aber in einer Gesellschaft wiederfindet, wo - trotz allem Verbal-Purismus - der Anstand schön langsam bröckelt, auch wenn alle noch ans gemeinschaftliche Gute glauben. "Falsch gedacht" ist ein politisches Buch, ein persönliches Buch, ein mitunter sogar witziges, letztendlich ziemlich episodisches Buch, das zum Vergleich einlädt; eine für eine fünfte Klasse nicht uninteressante Lektüre, für Zeitzeugen aber nicht minder interessant.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/julit-deutsch/schule/detail/falsch-gedacht.html
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