No llores, mi querida – Weine nicht, mein Schatz
Wahrscheinlich werde ich schon zu alt für Bücher voller extremer Gewalt und Menschenverachtung, in denen zehnmal "fick dich" gebrüllt wird, bevor jemandem der Schädel zermanscht wird. Aber so ungefähr geht es in diesem Skinhead-Roman zu, der offensichtlich unter all der Romanzen-Tünche, die der ...
Wahrscheinlich werde ich schon zu alt für Bücher voller extremer Gewalt und Menschenverachtung, in denen zehnmal "fick dich" gebrüllt wird, bevor jemandem der Schädel zermanscht wird. Aber so ungefähr geht es in diesem Skinhead-Roman zu, der offensichtlich unter all der Romanzen-Tünche, die der ehemalige Ska-Skin Pilz drüberstreut, ein realistisches Bild der Szene liefert. Rico ist kein Nazi, sondern einfach ein Skin, der sich als einsamer Kämpfer voll grenzenlosem Hass versteht und mit seinen Macho-Freunden vor dem Suff, im Suff, nach dem Suff die Welt kaputt schlägt, da er – so sein Credo – auch kaputt gemacht wurde und wird.
Er arbeitet als ausgebeuteter Briefträger, lebt in einer Betonplattengegend, die er Kasachstan nennt, und verbringt seine Zeit eben mit Prügeln und Saufen – am liebsten bei Fußballspielen. Als Kind war er noch Opfer, so wie auch seine Mutter, die vergewaltigt wurde, so wie viele der Menschen, die in diesem 'Kasachstan' leben. Bis er lernt zurück-, dann zuzuschlagen. Natürlich lieber gegen Ausländer als gegen DOItsche – auch wenn die "Ausländer" eigentlich in Deutschland geboren sind. Bis er eines Tages ein Mädchen aus Mexiko kennen und lieben lernt….
Natürlich spitzt sich der Konflikt zu: "Die Negertussi oder wir" meinen seine Freunde. "Das sind deine Freunde?" wundert sich Maga, die hier studiert und mit ihren Schnösel-Freunden sowieso in einer anderen Welt lebt, die mit Ricos sprachreduzierter wenig zu tun hat.
Wie gesagt, über weite Strecken ist der Roman unerfreulich und unappetitlich; zu viele persönliche und gesellschaftliche Defizite werden bemüht um als Erklärungsfolie dienen zu können. Zu sehr werden Klischees strapaziert – aber dennoch gibt es sie in irgendeiner Form: diese Skin-Macho-Welt (Frauen sind prinzipiell nur ein Stück Fleisch), in der Hass die einzige Triebfeder, Saufen und Hinhauen die einzigen Verständigungs- und Verbrüderungsmittel sind. Bevor Sie daran denken, das Buch einem Schüler/einer Schülerin in die Hand zu drücken – lesen Sie es selber. Und vergewissern Sie sich auch, dass Sie Zeit genug haben, mit dem Schüler/der Schülerin über das Buch zu reden. Jugendliche werden von dem Roman sicher faszinierter sein als unsereins.