Dich habe ich in die Mitte der Welt gestellt
Lange habe ich mir überlegt, ob ich das Buch überhaupt besprechen soll, denn weiter empfehlen möchte ich es nicht. Andererseits ist's vielleicht einen Versuch wert, Hensgens Buch einer Beurteilung durch Schüler/-innen auszusetzen.
Es geht um eine Schulklasse vor dem Abitur; in der letzten Woche ...
Lange habe ich mir überlegt, ob ich das Buch überhaupt besprechen soll, denn weiter empfehlen möchte ich es nicht. Andererseits ist's vielleicht einen Versuch wert, Hensgens Buch einer Beurteilung durch Schüler/-innen auszusetzen.
Es geht um eine Schulklasse vor dem Abitur; in der letzten Woche wird ein Renaissanceprojekt durchgeführt, in dem die Schüler/-innen durch (selbstgesteuertes) Lernen mehr über wesentliche Gedanken einer Umbruchszeit erfahren sollen; der Geschichtelehrer dirigiert relativ behutsam, und die geistvollen Jugendlichen nutzen das Projekt zu Wahrheits- und Selbstfindung.
Das ist nun gewiss ein interessanter Ansatz: prodesse et delectare - und nach der Lektüre gehe ich mehrfach bereichert und sehender durch die Welt. Parallelen werden gezogen, ein echtes Lernerlebnis hat stattgefunden.
Leider ging's mir nicht so! Das Beziehungsgeflecht zwischen Svenja, Paul und Matz bleibt unterkühlt und gekünstelt (mit ein paar Sensibilitätchen hineingestreut), das Wissensnetzwerk ist pampig, aufgeblasen, in bester Tradition deutscher Bildungsbürgerschwerfälligkeit. Da dauert betroffenes Schweigen an, Stimmen wandelt sich jäh, der Lehrer ersucht ruhig um Fortführung des Vortrags und alle reagieren schon wieder betroffen. Ehrlich, "Sofies Welt" (in englischen Rezensionen oft als schwerfällig verschrien) ist ein lockerer Reißer gegen "Dich habe ich in die Mitte der Welt gestellt". Was eine spannende Brücke zwischen den Zeiten hätte werden können, ist gleich zu Beginn zerbrochen und versumpft.
Und dennoch bin ich gespannt, was meine Leser/-innen dazu sagen werden, denn ich habe gelernt, dass Schüler/-innen immer wieder für Überraschungen gut sind. Vielleicht begreift jemand das Buch als passende Ergänzung zum Literatur- und Geschichtsunterricht. Wundern würd's mich trotzdem.
P.S. Als gelungenes Beispiel für ein Buch, das lesbar Wissen transportiert, ist für mich z.B. "The Shakespeare Connection" von Avril Rowlands.
(GF10/11-1996)