Lyrik nervt
Thalmayr, uns allen besser als Hans Magnus Enzensberger bekannt, hat auf sein großartiges "Wasserzeichen der Poesie" (Andere Bibliothek) zurückgegriffen und hier für Jugendliche eine Einführung in die Lyrik geschrieben, die den ermunternden Untertitel "Erste Hilfe für gestresste Leser" trägt.
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Thalmayr, uns allen besser als Hans Magnus Enzensberger bekannt, hat auf sein großartiges "Wasserzeichen der Poesie" (Andere Bibliothek) zurückgegriffen und hier für Jugendliche eine Einführung in die Lyrik geschrieben, die den ermunternden Untertitel "Erste Hilfe für gestresste Leser" trägt.
Als Deutschlehrer müsste ich ja wenig Freude damit haben, dass der Lyrikverstehbetrieb der Schule so schlecht wegkommt, aber im Grunde macht Enzensberger auch, was viele von uns machen: Sie predigen die große Freiheit der Begegnung und schmuggeln doch ein gerüttelt Maß an Poetik hinein. Die Zeiten von "Was will uns der Dichter heute noch sagen" sind wohl selbst in der Schule weitgehend vorbei. Was uns Enzensberger womöglich voraus hat, ist der wirklich unbekümmerte Zugang. Er wählt ein Beispiel von Ezra Pound - befindet, dass es unverständlich ist, und sagt: Lassen wir's. Ein Deutschlehrer mag hingegen den "kreuzwortistischen" Zugang zu den Cantos ganz interessant finden.
Wie auch immer: Enzensberger erzählt mit Schwung, verwendet ein paar raffinierte Tricks, so als wüsste er manches nur von ungefähr. Dabei streut er ein, was es an Werkzeug einzustreuen gibt: Taktarten, Strophen- und Gedichtformen, ein bisschen Literaturgeschichte etc. Alles das findet sich wie selbstverständlich. Was sich noch findet, ist eine Vielzahl ausgesprochen gut gewählter Beispiele, aber darin ist er ja ein alter Profi: an Beispielen Konzepte zu erklären.
Zudem ist das Buch sehr hübsch gemacht; es sollte - in mehreren Exemplaren - in jeder Schulbibliothek vorrätig sein.