Das Orangenmädchen
Der frühe Tod ist immer für eine Geschichte gut – so auch in diesem Roman. Der fünfzehnjährige Georg hat seinen Vater kaum gekannt; der ist nämlich vor elf Jahren gestorben – doch plötzlich meldet er sich mit einem langen Brief, der eine Geschichte enth& ...
Der frühe Tod ist immer für eine Geschichte gut – so auch in diesem Roman. Der fünfzehnjährige Georg hat seinen Vater kaum gekannt; der ist nämlich vor elf Jahren gestorben – doch plötzlich meldet er sich mit einem langen Brief, der eine Geschichte enthält: die des Orangenmädchens. Behutsam erzählt der Vater seinem Sohn, fast dialogisch, wie er sich als Student in Oslo in ein Mädchen, das er immer wieder mit Orangen in Verbindung brachte, verliebte. Wie er sie suchte, aufspürte, ihr gar bis Sevilla folgte. Wir wissen es lange vor Georg: Das Orangenmädchen ist seine Mutter und Georgs Vater erzählt eine traurig-schöne Liebesgeschichte, die ein frühes Ende fand. Georgs Mutter ist nun in zweiter Ehe verheiratet, hat eine kleine Tochter – und leidet darunter, dass alte Wunden wieder aufbrechen. Aber für Georgs Seelenheil ist es wohl notwendig – und letztendlich ist es das auch für das Seelenheil aller.
Gaarder hat den Roman nicht als schlichte Erzählung angelegt, sondern die Geschichte vom Orangenmädchen immer wieder durch Reflexionen und kleine Geschichten Georgs einerseits, durch einen "Dialog" um das Hubble-Teleskop (das viel, aber nicht alles ergründen kann) andererseits unterbrochen.
Nun ist klar, dass eine Geschichte von Liebe und Verlust, von Trauer und Lebensfreude eine zugkräftige Geschichte ist, vor allem dann, wenn sie gut erzählt ist. Gaarder ist so weit Profi, dass er das auch ganz passabel hinkriegt, aber wie bei fast allen seinen Büchern schwingt immer etwas Altkluges und Belehrendes mit. Die Leichtigkeit, die er für Sevilla braucht, hat sich jedenfalls sehr rasch im Schneetreiben Oslos verloren; und Georg ist an manchen Stellen so vernünftig, dass es fast weh tut. Trotzdem: Das Orangenmädchen entschädigt dafür.