Interessant, wie wenig sich doch in einem Dutzend Jahre trotz sogenannter Bewusstseinsarbeit ändert. Korschunows Buch ist aktuell wie eh und je, zumal sie schon damals vermieden hat, deutliche Zeitbezüge einzuführen. Die siebzehnjährige Sabine ist - wie ihre Mutter und der "Stammhalter der Familie" - dem Pascha-Vater ausgeliefert. Die Mutter duldet still vor sich hin, der zehnjährige Sohn wird den väterlichen Ansprüchen nur bedingt gerecht, allein Sabine versucht ab und zu aufzumucken. Als sie mit ihrem von seinem Geigenspiel besessenen Freund Sebastian Schluss macht, wird ihr allmählich bewusst, dass sie dabei war, in die Rolle der widerspruchslos Dienenden hineinzuschlüpfen.

Inzwischen hat der Vater, Möbelverkäufer in München und voll von ehrbar-frommen Sprüchen, eigenmächtig ein Haus am Land erworben. Der Umzug bringt nicht nur große finanzielle Sorgen für alle mit sich; gleichzeitig bewirkt die Veränderung eine langsame Neustrukturierung der bisherigen Rollen. "Sind Männer lernfähig?" schwebt über all diesen Ereignissen als wichtige Frage. Die Antwort: "Ja, begrenzt zumindest, aber es tut allen weh - nicht nur dem Pascha." Korschunows positive Botschaft an alle: "Es ist nie zu spät, sich neuen Anforderungen und Lebensweisen zu stellen." Womit wir das Buch getrost aufs bibliotherapeutische Regal stellen können, allerdings zu jenen Büchern, die nicht mit dem erhobenen Zeigefinger wackeln, sondern durchaus spannend und glaubwürdig ihr Anliegen darstellen. Ganz gewiss eine wichtige Neuauflage - nicht nur für Korschunow-Freunde wie mich. (GF5/5-1994)