Passiert es heute? Passiert es jetzt?
Autor MINELLI, Michèle
Verlag Jungbrunnen 2018
Wer sich in die Familie begibt, der kommt darin um, hat es einmal geheißen. Muss nicht sein, kommt aber häufiger vor, als man glaubt.
Wolfgang (16) ergeht es so – er landet in der integrierten Psychiatrie für Jugendliche, sein Schwester Leonie (6) bei den Großeltern, die Mutter verschwindet überhaupt. All das hängt mit dem Tod des Vaters (oder ‚Möchtegernvaters‘, wie Wolfgang oft anmerkt) zusammen. Der hat eine schöne Fassade für die Freikirche aufgebaut, der die Familie angehört, aber in Wirklichkeit ist er ein Tyrann der Sonderklasse.
In der Jugendpsychiatrie erzählt Wolfgang von seinem Leben, es ergibt sich allmählich ein schauriges Bild. Gleichzeitig muss er sich im Umgang mit den anderen Jugendlichen in der Anstalt bewähren; kein leichtes Unterfangen, aber Franzi, deren Gedankenpassagen immer wieder eingeschoben sind, unterstützt ihn beim Weg zur ‚Lösung‘ seines Falls.
So ein Szenario bietet natürlich gute Möglichkeiten, und Minelli nutzt das auch weidlich. Wie so oft im Jugendbuch, das nicht als Konfektionsware daherkommen möchte, hapert es bisweilen bei der Sprache: Wolfgang geht zwar nicht ins Gymnasium, wie er uns erklärt, aber sein Wortschatz ist dennoch ziemlich umfangreich („verschlieren“ im aktiven Wortschatz?). Das macht aber nichts; was lästiger ist, sind die offensichtlich poetischen Passagen („Das Leben besteht aus lauter Momenten, die sich aneinanderreihen“ etc.). Es tut aber der Sache, dass hier ein lesenswerter Roman zum Thema Gewalt in der Familie vorliegt, letztendlich keinen Abbruch.
S. 166 - 13/14