Die rote Antilope
Auch wenn der Held des Buches, Molo, noch ein Kind ist, so ist Mankells neuester Roman nicht unbedingt ein Jugendbuch. Dennoch werden sich bestimmt zahlreiche jugendliche Leser/-innen finden, denen diese Geschichte gefällt, die diese Geschichte bewegt.
Schweden vor etwa 130 Jahren: Der wenig er ...
Auch wenn der Held des Buches, Molo, noch ein Kind ist, so ist Mankells neuester Roman nicht unbedingt ein Jugendbuch. Dennoch werden sich bestimmt zahlreiche jugendliche Leser/-innen finden, denen diese Geschichte gefällt, die diese Geschichte bewegt.
Schweden vor etwa 130 Jahren: Der wenig erfolgreiche Student Hans Bengler beschließt, in die Wüste zu fahren und dort nach einem neuen Insekt oder Käfer zu suchen. Nach vielen Hindernissen und einem schrecklichen Herumirren in der Kalahariwüste findet er endlich sein Insekt und landet bei einem Großwildjäger am Rande der Wüste; von ihm 'erwirbt' er Molo, den er Daniel nennt, und den er nach Schweden mitnehmen will. Molo muss ihn fortan Vater nennen, und Bengler bereist mit ihm nun Schweden, stellt seine Insekten, aber gleichzeitig auch Daniel zur Schau. Nach einem Zwischenfall lässt er Daniel bei einer Bauernfamilie zurück, die sich um ihn kümmert, ihn aber nicht versteht, weil sie nicht weiß, was sie verstehen soll.
Daniel, mit dem fremden Land, den fremden Gebräuchen, mit den fremden Menschen, die ihn nur anglotzen, ganz klar überfordert, will in seine Heimat zurückkehren. Wie die rote Antilope im Sprung, die sein Vater Kiko in den Felsen geritzt hat, versucht auch Daniel den Sprung zurück. Er erhofft sich einerseits Hilfe von der geistig zurückgebliebenen Sanna (von der er sich aber letztlich verraten fühlt) und von Jesus, da dieser übers Wasser gehen konnte. Obwohl es ihn verwundert, dass ein Gott an eine Planke genagelt wird, versucht er doch die Fertigkeit zu erwerben, übers Wasser nach Hause zu gehen. Sooft er aber auch zum Sprung ansetzt, immer wieder fühlt er sich von seiner Umgebung, die ihn zumeist völlig falsch einschätzt, gehindert.
Mag sein, dass Mankell die ethnokitschige Seite aus "Chronist der Winde" fortgeschrieben und noch etwas vergröbert hat; zu sehr ist in Molos Welt das Konzept des "edlen Wilden" (wenn auch aufklärerisch, wenn auch geleugnet) vorhanden; zu sehr werden Welten zu ihrem Vor-/Nachteil einander gegenüber gestellt. Dennoch ist es ein packendes Buch, weil Mankell ein ausgezeichneter Erzähler ist und weil er sein Buch mit gelungenen und beeindruckenden Bildern vollpackt. Die absurde Reise des Hans Bengler, die skurrilen Charaktere, die er trifft, die redlichen "kleinen Leute", der bizarre Auftritt des schwedischen Königs, aber auch die Begegnungen zwischen Daniel und Sanna entschädigen für so manche Über- oder Geradezeichnung von Molos/Daniels Schicksal. Auch halte ich den Perspektivenwechsel für sehr gelungen, selbst wenn die Welten im Kopf manches Mal zu konstruiert wirken mögen; möglicherweise ist es erst der Epilog, der ein bisschen zur Verkitschung beiträgt – aber insgesamt ist "Die rote Antilope", bei aller Kritik, ein durchaus lesenswertes Buch, dessen eventueller Schuleinsatz u. U. mit weiteren Recherchen zum Thema verbunden sein könnte.