Die Geschichte kennen wir ja alle irgendwie, vom 17-jährigen Bauernmädchen aus dem Dorf Domremy, das im Auftrag von Himmlischen für Frankreich gegen die Engländer kämpft.

Trotzdem gelingt es Leo Linder von Seite zu Seite mehr, die LeserIn in die Situation im Dorf vor 600 Jahren hineinzuziehen, im Grenzgebiet zwischen dem königstreuen Frankreich Karls VII, zwischen Burgund, das mit den Engländern paktiert und dem besetzten englischen Gebiet. Seit 80 Jahren herrscht Krieg, Söldner plündern und morden, streunende Truppen überfallen Dörfer, Kriegskrüppel ziehen als Bettler herum, der König sitzt in seinem Schloss und rührt sich nicht. Prügeleien der jungen Burschen jenseits und diesseits der Grenzen sind fast an der Tagesordnung.

Jeanne wird einfach als kräftiges, selbstbewusstes Mädchen gezeichnet, das die härtesten körperlichen Arbeiten verrichtet, wie ihre Brüder auch. Deswegen kämpft sie auch mit.

Genauso selbstverständlich ist auch ihre Religiosität, sie liebt die Dunkelheit in der Dorfkirche, den Klang der Glocke und bespricht ihre Entscheidungen mit ihrer Lieblingsheiligen, der heiligen Margarete. Dass ihr einige Heilige mitten am Tag erscheinen, wundert sie nur am Anfang, dass sie deren Aufträge ernst zu nehmen hat, ist selbstverständlich.

Der Autor stattet sie auch mit einer Schlagfertigkeit und verbalen Überzeugungskraft aus, die jedes Verhandlungsgespräch zu einem witzigen Schlagabtausch macht, ihr Mut in den Dialogen mit eitlen Adeligen und dem von seinem Kanzler abhängigen König von Frankreich ist erfrischend und ansteckend. So gewinnt sie schnell einflussreiche Freunde und mit ihnen wichtige Schlachten. Sie befreit Orleans, führt den König zur Krönung nach Reims und wird verehrt wie ein Popstar, umjubelt von Menschenmengen, wo sie hinkommt.

Der König ist aber nach kurzer Zeit doch nur an seinem faulen Leben interessiert und lässt sie im Stich. Sie stellt eine eigene Truppe auf, wird aber von den Burgundern gefangen und an die Engländer verkauft. Ihre unglaubliche Karriere dauert nur zwei Jahre, an deren Ende sie mit 19 Jahren als Hexe in Rouen verbrannt wird. Der Autor kostet die Siege aus und erspart den LeserInnen ein langes Ende, historische Ergänzungen finden sich im Nachwort.

Die Vorstellung vom Leben im Mittelalter wird plastischer nach der Lektüre, vor allem auch davon, was Frauen und Mädchen getan haben und wie sie gelebt haben könnten. Auch das Wissen, dass es großartige Frauen in der Geschichte gegeben hat, ist ja nicht unwichtig, besonders in Ergänzung zu den Helden- und Rittersagen, die in der Unterstufe gern gelesen werden und ein äußerst schmales Identifikationsangebot für Mädchen bereithalten.

Lesenswert!