Der Aufsatz
Rebergs Geschichte, schon 1984 im französischen Original erschienen, ist zeitlos geblieben, denn nach wie vor plagen sich die Schreibunlustigen mit Aufsatzthemen herum, und dies zum Teil deshalb, weil - pädagogisch gesprochen - produkt- und nicht prozessorientiertes Schreiben im Vordergrund steh ...
Rebergs Geschichte, schon 1984 im französischen Original erschienen, ist zeitlos geblieben, denn nach wie vor plagen sich die Schreibunlustigen mit Aufsatzthemen herum, und dies zum Teil deshalb, weil - pädagogisch gesprochen - produkt- und nicht prozessorientiertes Schreiben im Vordergrund steht. Das bedeutet, dass Kinder zu Themen schreiben sollen, zu denen ihnen Ideen und Vorerfahrungen fehlen, dass der Schreibprozess (bei dem das eigentliche Schreiben bekanntlich relativ wenig Zeit einnimmt) jedoch nicht begleitet wird.
Eric, der Held der Geschichte, muss über einen Beruf schreiben; fatalerweise fällt ihm nur der Beruf der Bäuerin ein - und als Stadtkind bleibt ihm nichts anderes übrig, als abzukupfern oder Kitsch-Versatzstücke aneinander zu reihen.
Was Reberg jedoch vornehmlich zeigt, ist, dass dieses Aufsatzschreiben ja in einen größeren Kontext eingebunden ist. Da sind der dozierende Vater, die verkniffen blickende Mutter, da ist die Lehrerin, die blutrünstige Geschichten sicher mit einer schlechten Note lohnt; da ist die allgemeine Unlust, die dazu führt, dass Eric zu allen möglichen Übersprungshandlungen und Ausflüchten greift; und da ist vor allem der Freund Stphane, auch kein Aufsatzschreiber, mit dem noch zahlreiche Abenteuer bewältigt werden müssen, bevor ernsthaft ans Aufsatzschreiben gedacht werden kann.
Auf relativ wenigen Seiten gelingt es Reberg ausgezeichnet, den Alltag eines Buben unter dem Aufsatzdamoklesschwert einzufangen, und das tut sie obendrein auf recht witzige Weise, der auch Erwachsene einiges abgewinnen dürften (vgl. etwa die Stelle mit Montaigne und Vauvenargues). Für Deutschlehrer/-innen ist die Geschichte sowieso Pflichtlektüre.