Dazwischen: Ich
Autor RABINOWICH, Julya
Verlag Hanser 2016
Das Schöne am ersten Jugendbuch von Julya Rabinowich ist, dass es trotz notwendiger Verknappung und Polarisierung ausgesprochen authentisch wirkt. Hier wird nicht moralisiert, hier wird nicht auf die westliche Tränendrüse gedrückt.
Hier wird einfach eine Geschichte erzählt, wie sie wohl oft genug passiert.
Die 15-jährige Madina hat mit ihrem kleinen Bruder, ihrer Tante und in ihren Eltern Fuß gefasst in der neuen Heimat – glaubt sie. Doch eigentlich ist sie die einzige, die sich auf ihre Mittlerrolle besinnt; sie lernt rasch Deutsch, hat eine Freundin (Laura), eine Lehrerin, die sie (über)betreut und die ihre eigenen Sentimentalitäten unterbringt. Madina wäre ein ganz gewöhnlicher Teenager mit den typischen Alltagsnöten, wenn da nicht einerseits die schlimmen Erinnerungen wären, andererseits die Verwurzelung in einer anderen Kultur. Behutsam beginnt sie sich zu lösen, aber damit löst sie sich auch gleichzeitig von ihrer Familie. Der Vater versteht die neue Welt sowieso nicht, überall lauern Schmach und Schande, besonders für seine Tochter, der kleine Bruder ist völlig überfordert, die Mutter kann ihren neuen Status nicht begreifen, und die Tante schweigt zu einem schrecklichen Familiengeheimnis. Madina stellt sich aber der Realität: dem Flüchtlingsheim, den vielen Ansuchen und Gesprächen, dem tristen Alltag.
Rabinowich hat ein sprachlich und inhaltlich dichtes Buch geschrieben, in dem eine sympathische Ich-Erzählerin viel glaubhafter als so mancher Kämpfer für die Rechte von Flüchtlingen für die Chance auf ein menschenwürdiges Ankommen eintritt.
Der Roman wird hoffentlich in keiner Schulbibliothek fehlen.
S. 255 | 13/14/15 Jahre