Eigentlich wollte ich gleich nach dem ausgezeichneten "Die blauen und die grauenTage", Feths erstem Jugendbuch, ihren zweiten Roman lesen, aber irgendwie habe ich darauf vergessen und damit eine sehr gelungene, nett erzählte Geschichte versäumt.
Dole feiert ihren zwölften Geburtstag, ihr Großvater seinen siebzigsten; sie feiern ihn selbstredend gemeinsam, weil sie zusammen mit dem Familienclan die Villa Linde bewohnen: Eltern, Großeltern, Onkel und Tante, eine Handvoll Geschwister leben nicht zuletzt deshalb zusammen, weil sie sozusagen ein Familienunternehmen bilden: Sie sind allesamt geschickte Diebe (ein Wort, das allerdings in der Familie verpönt ist).
Zwei Dinge bedrohen die Idylle: Freddie, der Älteste, will der Familientradition nicht folgen; er beginnt eine Friseurlehre und wird vom Vater (relativ erfolgslos) verstoßen. Und Dole verliebtsich in Jonas, dessen Vater ausgerechnet Polizist ist; gleichzeitig aber spürt sie auch, dass ihre Interessen anderswo liegen, dass sie lieber Fotografin als Diebin (oder im Moment noch Lockvogel bei Beutezügen) wäre. Für Konflikte innerhalb und außerhalb der Familie ist also gesorgt.
Feth hat auf sehr hübsche und ansprechende Weise das Thema der Selbstfindung aufgegriffen, es mit einigen skurrilen Schnörkseln verziert und am Schluss einige Möglichkeiten offen gelassen. Was das gesamte Buch hindurch aber für besondere Spannung sorgt, das sind die Lebensumstände der Familie. Immerhin ist so ein Diebesleben durch eine Vielzahl von Gesetzen bestimmt, und die Freundschaft zu einem Polizistensohn sorgt da noch für zusätzliche Probleme. Kurzum, ich hätte mir das Vergnügen der Lektüre schon viel früher gönnen sollen und nicht erst jetzt, auf der Überfahrt von Oban nach Lochboisdale.