Kollektorgang
Autor BLUM, David
Verlag Beltz&Gelberg 2023
„Ich bin nie auf einer Trauerfeier gewesen, nur auf meiner eigenen“, sagt Mario (knapp 14); er sitzt an seinem Grab und spricht zu uns über seine kurze Vergangenheit und seine unbestimmte Gegenwart.
Mario wächst in den 90er-Jahren in einem Plattenbau in der ehemaligen DDR auf. Dort spielt sich sein Leben in Vierecken ab; erst als er und sein Freundeskreis einen Kollektorgang unterhalb der Plattenbauten finden, wird diese Verbindungsmöglichkeit zu einer Linie. Dort reden, rauchen, trinken sie – bis die Gewalt massiv in ihr Leben einbricht. Ausländerfeindliche Zeichen gab es schon vorher, aber nun dräut ein tödlicher Boxkampf. Als Mario seinem Freund Rajko im Kampf gegen Neonazis helfen will, stirbt er. Und nun sitzt er am Grab, als Nachbarn hat er einen sterbenslangweiligen (sic!) Herrn Hoffmann, der auch als Toter noch über Aktenordner redet.
Marios Erzählstimme ist sympathisch, fast lässig nimmt er sein Hinscheiden, um Rajkos Schwester ist ihm leid, weniger um seine Eltern; der Vater mutiert nach der Wende vom Schweißer zum Alkoholiker.
Blum erzählt knapp eine eigentlich traurige Geschichte, aber er erzählt sie mit Leichtigkeit und Anflügen von Humor. Freundschaft, Angst, Liebe schimmern durch.
In der Nachbemerkung erfährt man, dass dem Buch ein realer Vorfall aus der Nazizeit zugrunde liegt.
Blum hat zu Recht den Peter Härtling-Preis für seinen schmalen Band erhalten.
S. 125 (Freundschaft; Konflikt; 13/14)