70 Meilen zum Paradies
Derlei Bücher sind immer an der Grenze zum Plakativen, aber das ist schon gut so, denn erst durch Übertreibung, vielleicht auch Drastik werden wir wach gerüttelt. Klement versichert jedenfalls, seine Sache ordentlich recherchiert zu haben, und es bestehen keine Zweifel, dass das stimmt.
Es geh ...
Derlei Bücher sind immer an der Grenze zum Plakativen, aber das ist schon gut so, denn erst durch Übertreibung, vielleicht auch Drastik werden wir wach gerüttelt. Klement versichert jedenfalls, seine Sache ordentlich recherchiert zu haben, und es bestehen keine Zweifel, dass das stimmt.
Es geht um Einzelschicksale – vor allem um den Krankenpfleger Siad und seine vierzehnjährige Tochter Shara, die sich von Somalia nach Tunesien durchgekämpft haben, dort auf ein Flüchtlingsboot warten, um nach Lampedusa und in weiterer Folge nach Kanada reisen zu können.
Wie uns bekannt, entpuppt sich der Ort der Verheißung als Festung. Nach einer lebensgefährlichen Überfahrt landen die Flüchtlinge im überfüllten und verdreckten Lager in Lampedusa, ständig in der Angst lebend, sowieso gleich wieder abgeschoben zu werden. Siad gelingt es, ein befristetes Visum zu erhalten, sodass er in der Gegend von Neapel um einen Hungerlohn (von dem an die Camorra Tribut zu entrichten ist) Tomaten ernten kann. Dass Siad und seine Tochter diesem Elend entfliehen können, dazu bedarf es natürlich eines kleinen Wunders, denn im wirklichen Leben bleibt es einem versagt, seinen Traum auch zu leben.
Klement vermittelt in dem schmalen Buch sehr anschaulich, wie Hoffnungen begraben werden, wie ein wohlhabendes System sich verbissen gegen eine Verbissenheit wehrt, die von purer Verzweiflung genährt wird. Klar, dass dabei die europäische Sichtweise eher undifferenziert wiedergegeben wird, dass die Europäer eher unsympathisch porträtiert werden; ginge es bloß um einfache Akte der Menschlichkeit, wäre das Flüchtlingsproblem wohl einfacher zu lösen. So aber erfahren wir bloß, dass mit dem, was wir so gemeiniglich als "auch eine Problematik" sehen, schreckliche Schicksale verbunden sind. Davon zu lesen schadet aber sicher nicht!