Schlaflos
Nicht als Jugendbuch ausgewiesen ist die Erzählung des Dramatikers Jon Fosse, doch gut als sogenannte Gap-Literatur verwendbar, als jene Literatur, die das Jugendbuch verlässt und doch noch viel an emotionalen Bindemitteln in sich hat.
Fosse erzählt, deutlich biblisch gehalten, die Suche von As ...
Nicht als Jugendbuch ausgewiesen ist die Erzählung des Dramatikers Jon Fosse, doch gut als sogenannte Gap-Literatur verwendbar, als jene Literatur, die das Jugendbuch verlässt und doch noch viel an emotionalen Bindemitteln in sich hat.
Fosse erzählt, deutlich biblisch gehalten, die Suche von Asle und der hochschwangeren Alida nach einer Herberge. Im düsteren, verregneten Ort Bjørgvins, der selbst für Norwegen noch einen Grad trostloser als alle anderen Orte wirkt, suchen sie vergeblich nach einer Bleibe. In ihrer Verzweiflung kehren sie zum Ausgangspunkt der Suche zurück und erzwingen Quartier bei einer Alten – die dann auch aus der Erzählung verschwindet. Wir können nur mutmaßen, was mit ihr geschehen ist. Ironischerweise hat sie die Hebammenfunktion inne und ist eben dann unauffindbar, wenn sie so dringend gebraucht wird. Die Erzählung endet offen – "Jetzt sind nur noch wir da, sagt Alida. Du und ich, sagt Asle. Und der kleine Sigvald, sagt Alida."
Asle und Alida haben nur einander – und ein paar Erinnerungen. Und die Geige von Asles Vater. Seine Eltern sind tot, Alida ist verstoßen. Man möchte meinen, Fosse präsentiert uns hier das selige Liebespaar, das nicht mehr braucht, um glücklich zu sein – wenn da nicht all die dunklen Zwischentöne wären. Unbedingtheit bringt immer auch Leiden (oder gar Verbrechen) mit sich, Unbedingtheit scheitert letztendlich an sich selbst. Aber darüber dürfen wir nur spekulieren.
Das "Schlaflos" wird in einem atemlosen Stil, der vielfach auf Interpunktion verzichtet, ausgedrückt. Kurze, altertümelnde Fügungen (nicht "nach Schick und Brauch" verheiratet) entführen uns in eine mittelalterlich wirkende Kulisse, doch könnte die Erzählung auch als jugendliche (und rücksichtslose) Unbekümmertheit des Heute gelesen werden. Fosse will aber, dass wir die beiden mögen, weil sie einander so sehr mögen. Er will es so geschickt, dass wir ein bisschen vorsichtig werden. Oder auch nicht? Darüber – und über viele andere Elemente des Buches - lässt sich, sobald die Taschenbuchausgabe da ist, sicher vorzüglich mit Jugendlichen diskutieren.
Rowohlt 2008