Harris ist kein Vielschreiber - mehr als zehn Jahre mussten wir darauf warten, Dr Hannibal Lecter aus "Silence of the Lambs" wieder zu begegnen. Natürlich treffen wir auch FBI-Agentin Clarice Starling wieder, genauso wie eines der früheren Opfer Lecters, den unglaublich reichen Mason Verger, der sich an Hannibal rächen will. Eine Jagd von vielen Seiten beginnt, eine Jagd, die vor allem auch durch unglaubliche Geldgier bestimmt ist.
Natürlich verrate ich Ihnen hier nicht, wie sie ausgeht, aber so viel sei gesagt: Ein bisschen Vergangenheit, ein bisschen Apotheose, ein bisschen Dekadenz (manches erinnert fast an Huysmans!) und viel Action sowie durchaus Unerfreuliches sind dabei. Harris steht natürlich unter Erfolgszwang: Wie sind Tempo und Widerlichkeiten aus "Silence of the Lambs" zu übertreffen? Er hat sich meines Erachtens einigermaßen bravourös gehalten, obwohl die Starling-Freunde deren Absenz in einem Abschnitt bedauern werden, obwohl die Fieslinge zu plakativ sind (Lecter ist da die einzige differenzierte Figur), obwohl die Jagd nicht die Rasanz hat, die wir vielleicht aus anderen Büchern gewohnt sind. Das mag auch eine Frage des Apparates sein, der hier nicht so sehr bemüht wird wie in vergleichbaren Büchern. Dr Hannibal Lecter ist auf jeden Fall eine Kultfigur geworden, und wir können uns während des Lesens gerne fragen, warum wir eigentlich so sehr mit seinem Schicksal mitzittern. Ansonsten: gekonnte Spannungsliteratur! Von mir selbst kann ich nur sagen, dass mir die größte Überraschung durch "Red Dragon"(1981) bereitet wurde: Es hat mich zum Thomas Harris Leser gemacht.