The Element

Endlich jemand, der nicht den Lehrerinnen und Lehrern, sondern dem System Schuld gibt. Verständlich, den Robinson, Innovationsforscher und Kreativredner in allen Gassen (wikipedia warnt vorm Eintrag über ihn), weiß um die Bedeutung von guten Mentorinnen und Mentoren. Und da ist halt oft genug je ...

Endlich jemand, der nicht den Lehrerinnen und Lehrern, sondern dem System Schuld gibt. Verständlich, den Robinson, Innovationsforscher und Kreativredner in allen Gassen (wikipedia warnt vorm Eintrag über ihn), weiß um die Bedeutung von guten Mentorinnen und Mentoren. Und da ist halt oft genug jemand aus dem Lehrberuf darunter.

Robinson beklagt vielmehr, dass auf einer systemischen Ebene Talente vergeudet werden, nicht zuletzt deswegen, weil den Kreativfächern in welcher Ausbildung auch immer zu wenig Bedeutung beigemessen wird. Er beklagt auch, dass auf einer systemischen Ebene viel zu wenig dafür getan wird, die wahren Talente und Leidenschaften der Menschen zu entdecken, zu entwickeln, zu fördern. Dabei wendet er sich naturgemäß gegen die herkömmlichen IQ-Messverfahren (how intelligent are you gehört umgewandelt in how are you intelligent) und plädiert dafür, dass jeder sein „Element“, jenen Bereich, wo „natural aptitude“ und „personal passion“ zusammentreffen, finden soll und muss. (Er konzediert allerdings, dass da auch attitude und opportunity hinzukommen müssen.)

Nun, da sind wir ja alle dafür. Umso mehr, als Robinson zahlreiche Erfolgsgeschichten beisteuert, etwa die von Paul McCartney oder Matt Groening. Oder die des bedeutsamen Bildhauers Don Lipski. Und das hatte für mich etwas Tröstliches, weil ich mich natürlich sofort fragte: Habe ich mein Element nie gefunden? Mag sein. Aber wer ist schon Don Lipski? Und wär ich zweiter Don Lipski geworden, was wäre der Welt da schon entgangen?

Müßige Spekulationen: In der Sache ist Robinson natürlich Recht zu geben; dass nicht alle den Gral, den Stein der Weisen, die Blaue Blume finden, gehört auch zum System; dass wir den Kindern und Jugendlichen tunlichst bei der Suche helfen sollen (wenn sie wollen), versteht sich von selbst. Dass wir dabei nicht new-agelerisich werden müssen (the Element! Come on!), halte ich für angemessen. (Apropos New Age: Coelhos Eltern griffen zu unverantwortlichen Maßnahmen, ihren Sohn vom Schreiben abzuhalten. Hätten sie es bloß mit verantwortlichen geschafft!)

Wenn Sie nun finden, es lohnt sich nicht, das Buch zu lesen, muss ich Ihnen sofort widersprechen: Es steckt erstens voll guter Geschichten und es enthält zweitens ein gelungenes Plädoyer gegen all die Messungen und Standardisierungen, denen die Bildungspolitik derzeit so enthusiastisch verfällt. Als ob die Kuh vom Wiegen fett würde! Ziehen Sie einfach das Amerikanische vom Element ab, dann lohnt sich die Lektüre wirklich.

P. S. Übrigens: Dons Arbeiten können Sie unter donaldlipski.net sehen.

London: Allen Lane 2009; pp. 274

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.09.2009
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/sachbuch/detail/the-element.html
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