MOORE, Michael

Man stellt sich Michael Moore gerne so tollpatschig und tapsig wie in seinen Dokumentarfilmen vor – neben der Tastatur liegt ein halber Whataburger und zwischen den Tasten hängen noch ein paar Tropfen vom XXL Coke. Und so hämmert Mike lustvoll auf die Tastatur, um seinem Land mit ...

Man stellt sich Michael Moore gerne so tollpatschig und tapsig wie in seinen Dokumentarfilmen vor – neben der Tastatur liegt ein halber Whataburger und zwischen den Tasten hängen noch ein paar Tropfen vom XXL Coke. Und so hämmert Mike lustvoll auf die Tastatur, um seinem Land mit Scherz, Satire, Ironie und tieferer Bedeutung beizukommen.
Leider hat, wie so oft, die Wirklichkeit die Satire eingeholt, und es kommt bald der erschreckende Zeitpunkt, wo es nicht mehr "leicht" ist zu glossieren und zu satirisieren; das ist dann, wenn Gemeinheit und Dummheit in der Realität so systematisch zu den Handlungsprinzipien erhoben werden, dass die literarischen Spielräume verloren gehen. (Denken Sie nur an die hiesigen "Reformen" – wie soll man etwa noch über das Schulwesen eine Satire schreiben? Das geht nur, wenn man noch an die Diskursfähigkeit der Satirisierten glaubt.)
Moore verbreitet sich in diesem Buch in zwölf Beiträgen über den traurigen Zustand der Nation – und traurig ist er fürwahr. Geldgier und schlichte Dummheit kennzeichnen die amerikanische Politik, und Moore führt zig Beispiele dafür an, dass der Präsident ein höchst unbedarfter Mann ist, den ein Viertel der Amerikaner (vermutlich) gewählt hat und der von einer Handvoll nicht greifbarer Kapitalisten unterstützt wird. Wir, wir haben das ja schon immer gewusst, und Moore hat das penibel recherchiert (im Anhang nennt er zahlreiche Quellen); er führt kenntnisreich aus, dass die Welt einer "confederacy of dunces" ausgesetzt ist. Zu Hilfe kommt ihm dabei seine Pose von (vorgeblich)

naiver Neugier, die heutzutage einfach besser wirkt als das finster-ernste Aufdeckertum eines Wallraff.
Das Schicksal des Buches selbst, das in dieser Form u. U. gar nicht das Licht der Lesewelt erblickt hätte, gäbe es nicht couragierte Menschen (und das Internet), zeigt schön, wie der Kapitalismus selbst mit der Kritik an demselben ein gutes Geschäft macht – eine einzigartige Fähigkeit, die Marx (erinnert sich noch wer?) leider nicht vorausgesehen hat.
Moore schreibt nichts wirklich Neues, aber er schreibt es mit der eigenartigen Mischung aus brüskem und kindischem amerikanischen Humor, und er versteht es, seine Leser/-innen direkt anzusprechen und ihnen ein bisschen wohliges Entsetzen zu vermitteln.
Wer meint, die Dummheit sei nur in Amerika zu Hause, der irrt natürlich gewaltig; so besehen ist die Lektüre auf jeden Fall anzuraten, denn sie animiert vielleicht dazu, sich einmal im "hic et nunc" ein bisschen umzusehen. Damit wir demnächst nicht wieder einmal sagen müssen: "Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber."

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/sachbuch/detail/moore-michael.html
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