Lebensraum Schule

Es wäre ja ganz und gar unsinnig zu behaupten, man würde dieses Buch nicht mit irgendeinem Gewinn lesen. Dazu ist Friedrich zu lange im Geschäft, dazu kann er viel zu viel zusammenfassend beitragen, auch wenn das gesamte Buch einen schludrigen Gesamteindruck macht und man nicht weiß, wie viel Fr ...

Es wäre ja ganz und gar unsinnig zu behaupten, man würde dieses Buch nicht mit irgendeinem Gewinn lesen. Dazu ist Friedrich zu lange im Geschäft, dazu kann er viel zu viel zusammenfassend beitragen, auch wenn das gesamte Buch einen schludrigen Gesamteindruck macht und man nicht weiß, wie viel Friedrich, wie die Renaissance-Maler, hat malen lassen. Manches hätte ja ein ordentliches Lektorat abfangen können – aber so Beispiele wie das folgende, eine 'urban legend' der Pädagogik, sind schon ihm anzulasten: Ein Zwölfjähriger weint in der Französischstunde; dazu befragt, gibt er an, der geliebte Großvater sei gestern verstorben; der Lehrer reagiert darauf mit "en français." Ich kenne das Beispiel aus einer Vielzahl von Büchern (für Englisch halt), aber es hat wohl nie wirklich stattgefunden, es soll nur verdeutlichen, dass wir zuerst auf Inhalt, nicht Form reagieren sollen.

Hier aber wird es als Faktum präsentiert – und genau das ist es, was mich an der g'scheiten und oberg'scheiten Literatur zur Schule so stört – das Buhlen um den billigen Erfolg mittels platter Beispiele. So besehen ist das das Fußballspiel-Syndrom: Jeder, der zuschaut, würd's natürlich besser machen, hätte schon längste geköpfelt, wo der Spieler noch dribbelt. Und ich hab es manchmal satt, als der ewig blöde Dribbler dazustehen.

Dennoch: Lesen Sie das Buch – es ist schnell gelesen, weil es offenkundig zu Friedrichs "populärwissenschaftlichen" Publikationen gehört. Lehrer – Eltern – Schüler (gegendert wird einmal nur irrtümlich, vermutlich hat die Passage eine Praktikantin geschrieben) heißen die ersten drei großen Abschnitte, die sich durch hohe Banalität auszeichnen. Lesbarer und interessanter wird es mit der "Psychopathologie von Schülern im Alltag" und allerhand Kurzkapiteln zu "Schule und…". Für die meisten von uns wird es eine angenehme Zusammenfassung von bereits erworbenem Wissen sein. Aber wie wir wissen: repetitio est mater studiorum, manche Dinge können nicht oft genug gesagt werden. Und außerdem: Wer liest denn nicht gerne von sich selbst oder seiner Arbeit, auch wenn die Lektüre mehr Widerspruch als Zustimmung hervorruft. In diesem Sinne: zum Mit- und Gegenreden empfohlen.

Wien Bertelsmann 2008; S. 174

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.06.2008
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/sachbuch/detail/lebensraum-schule-2.html
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