How Fiction Works

Auf einer akademischen Ebene mag man mit diesem Buch viel Freude haben, weil man heftig übereinstimmen oder heftig kritisieren und in beiden Fällen sein eigenes Wissen aufleuchten lassen kann. Warum Flaubert? Warum die ‘modernist’? Warum so viel Svevo? Und ist Tschechow wirklich so genial? (Ja, ...

Auf einer akademischen Ebene mag man mit diesem Buch viel Freude haben, weil man heftig übereinstimmen oder heftig kritisieren und in beiden Fällen sein eigenes Wissen aufleuchten lassen kann. Warum Flaubert? Warum die ‘modernist’? Warum so viel Svevo? Und ist Tschechow wirklich so genial? (Ja, ist er.)

Ich, als schlichter, aber belesener Rezipient habe es viel leichter – ich kann mich einfach an dem Büchlein freuen. Wer nur peripher am akademischen Diskurs beteiligt ist, wird hier jede Menge Kleinodien finden und sie für längere Zeit aufbewahren. Am meisten hat mich dabei das Konzept der “thisness” (nach Duns Scotus ‘haeceitas’) beeindruckt. Wie muss ein Detail beschaffen sein, dass es relevant wird?

Wood zeigt, was genaues Lesen bedeutet, wobei ich bezweifle, dass wir wirklich so minutiös lesen müssen; das Geniale bei Flaubert etwa ist, dass die Ingredienzien auf uns wirken, ohne dass wir jedes bewusst erschmecken/erlesen müssen. Und so führt uns Wood enorm kenntnisreich durch einen ziemlich traditionellen Kanon, der von Cervantes zu Updike führt, in dem sogar Thomas Bernhard vorkommt und auch Coetzee, David Foster Wallace (ziemlich oft) und Robert Bolaño beispielsweise Erwähnung finden.

Woods Buch macht Lust aufs Lesen. Und es macht staunen, was alles zusammenspielen muss, um ein gelungenes Werk zu produzieren. Es macht aber auch zweifeln, ob dies wirklich alles so sein muss. Woods selbst hält ein kleines Plädoyer für flache Charaktere und ‘mixed metaphors.’ Die Regeln der Kunst sind offensichtlich ebenso wichtig wie die Verstöße dagegen. Und genau das macht Lesen auch zum Abenteuer: Wir wissen oftmals nicht, was sich hinter der nächsten Biegung verbirgt, und lassen uns gerne – vorm Hintergund unserers (reichen) Erfahrungsschatzes - überraschen.

Achja, noch eines nehme ich mit von diesem schmalen Buch: Jetzt habe ich mein Leben doch mehr oder weniger lesend verbracht, aber bei der Lektüre kam ich mir immer noch ziemlich unbelesen vor; und das, obwohl ich viele der Bücher, die Wood zitiert, gelesen habe. Ich sollte wohl nochmals von vorne beginnen; nochmals den ganzen Flaubert. Nochmals den Tschechow etc. Ein Trost bleibt – in vier Jahren bin ich mit dem gesamten Balzac durch; und der kommt bei Wood nicht so oft vor.

London: Vintage 2009; pp. 194

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.01.2012
Link
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