Pädagogische Schulentwicklung.
Zugegeben, ich habe mit allen Büchern Klipperts meine Schwierigkeiten, weil ich sie mit bewunderndem Missfallen lese. Da ist einerseits die ungeheuer kluge Verkaufsidee im Gesamtpaket: Klippert verkauft sich über Pädagogische Institute, über Aus- und Fortbildungsangebote, er ...
Zugegeben, ich habe mit allen Büchern Klipperts meine Schwierigkeiten, weil ich sie mit bewunderndem Missfallen lese. Da ist einerseits die ungeheuer kluge Verkaufsidee im Gesamtpaket: Klippert verkauft sich über Pädagogische Institute, über Aus- und Fortbildungsangebote, er verkauft sich über seine Bücher - und er verkauft sich gut. Respekt dafür. Aber die Ware, die er verkauft, hat zwar eine marktschreierische Verpackung, ist oft genug jedoch das, was man sonst wohlfeil und ohne viel Umstände über die Budel geschoben bekommen hat.
Ich habe selbst an einem Methodentraining-Schnupperkurs teilgenommen und musste zwei Tage über mich ergehen lassen, was - mit mehr Professionalität - in jedem Projektseminar der 70er-Jahre geleistet wurde. Aber weil es so einfach klingt, weil die Klippert'sche Botschaft auf einen Konditionalsatz reduzierbar ist, nämlich, wenn ihr brav Methoden, Kommunikation und Teambildung trainiert, dann wird alles besser, bestellen viele Schulen die Mogelpackung. Wer ein Deutsch- oder Englischbuch aufschlägt, der findet dort wie selbstverständlich, was Klippert anpreist; wer sich über die Aufbereitung von Material Gedanken macht, wer - wie wohl alle - von Sozialformen des Unterrichts gehört hat, dem wird kein Aha-Erlebnis zuteil.
Natürlich ist nicht alles schlecht in den Klippert-Büchern: Sie enthalten eine handliche Sammlung von Übungen und sie leiten dazu an, Dinge zuerst selbst und dann mit Schülerinnen und Schülern (auch mit Eltern) zu erproben. Sie bieten Raster, Regeln und Ratschläge, Sätze, Sammlungen, Spiele. Sie sind eine rechtschaffene Fundgrube für alle, die glauben, als Methodix ist man auch schon ein Miraculix.
Unterrichtsentwicklung, und darauf konzentriert sich die Schulentwicklung nach Klippert, ist aber mehr als Methodentraining. "Wer den Unterricht verändern will, muss mehr als den Unterricht verändern," heißt es bei Horster/Rolff (Beltz 2001). Klippert aber reduziert UE (und damit SE) auf eine methodische Komponente, er spart die fachdidaktischen und bildungstheoretischen Aspekte weitgehend aus. Natürlich ist auch vom systembezogenen und vom personenbezogenen Ansatz die Rede, aber diese Feigenblätter müssen eben sein. Im Wesentlichen wird in diesem Buch aber der UE das Wort geredet - und das mit heftigen Querverweisen auf die anderen Bücher des Autors. Dabei redet er einem Pragmatismus das Wort, wohl wissend, dass die Theoriefeindlichkeit der Lehrer/-innen einerseits, der Wunsch nach raschen und sichtbaren Lösungen ("Lösungen"?) andererseits bei seiner Klientel punktet. Dabei wird er nicht müde, sein Konzept der Schnupper- und Trainingsseminare, der 3-er Teams, die etwa 15 Stunden in einer Klasse Methodentraining machen, der SCHILF-Ebene zu predigen, alles mit dem höheren Ziel der Klippertisierung von PIs und von Schulen. (Eine Fachdidaktik gibt es dafür überhaupt nicht mehr!)
Das macht er nicht ungeschickt: Ununterbrochen ist von neuen Lernformen die Rede, auch wenn sie es gar nicht sind. Wer Klippert nicht macht, ist somit ein verzopfter Kerl, der der Reform des Schulwesens entgegensteht. Gleichzeitig wird mit dem pragmatischen Ansatz ein Berufsbild unterstellt, das durch Geschick und Talent gekennzeichnet ist - ein bissl Methodix, ein bissl Talent, und schon haben wir die perfekten Lehrer/-innen. So einfach ist es halt leider nicht - und das zeigt sich auch in dem überraschend offenen Teil über die Rückmeldungen aus den Versuchsschulen. Wenn ich da zB lese: "Unterrichtsbesuche haben jedoch deutlich gezeigt, dass Methodenpflege im Klippert'schen Sinne in Ansätzen durchaus stattfindet" (S. 268), so zeigt schon die Formulierung ( in Ansätzen, durchaus), dass es mit der Sache offensichtlich nicht weit her ist. Klippert formuliert zwar immer wieder geschickt, verschleiert aber schlecht: Da heißt es etwa zum Thema Teambesprechungen: "Gut die Hälfte der befragten Schulen meldet zurück" (aha, denkt sich der Leser, gut die Hälfte, da kommt sicher etwas Positives), "dass diesbezüglich noch keine Erfahrungen vorliegen." (S. 279; oje, schon wieder, das häuft sich aber.)
Das Buch erinnert letztlich fatal an populistische Politideen. Das Kindergeld sollte die Geburtenfreudigkeit anregen (tut es nicht, ein paar linkslinke Feministinnen sind sicher schuld), das Methodentraining sollte die SE ankurbeln (tut sie nicht, ein paar böswillige Direktorinnen und Direktoren stellen keine Doppelstunden zur Verfügung und außerdem war wieder 'mal August). Das kommt davon, wenn man von der Form-Inhalt Dialektik zu wenig wissen will!
Sollen Sie das Buch nun für die Bibliothek anschaffen? Aber gewiss doch, schon allein, um zu überprüfen, ob ich Recht habe; aber auch, um sich einen Überblick über das Klippert-Universum zu verschaffen, das - auch welchen Gründen auch immer - von manchen PIs (Wien und Steiermark hierzulande) so eifrig propagiert wird. Vor allem aber deshalb, um nachdrücklich (über das abwesende Paradigma allerdings) gezeigt zu bekommen, dass Inhalt noch allemal vor Methode steht, wenn es darum geht UE zu betreiben, dass OE und PE und UE tatsächlich eine Einheit bilden und dass eine Reduktion auf das Methodische aus den reflective practitioners Rezeptausprobierer macht.
Wer allerdings auf dieses Negativlernen verzichten möchte, der greift am besten gleich zum Buch "Unterrichtsentwicklung" von Horster/Rolff.