LehrerInnenforschung. Theorie braucht Praxis. Braucht Praxis Theorie?

In einem der Beiträge (Altrichter/Feindt) zu dem vorliegenden Band wird die simple Frage, wozu LehrerInnenforschung (LF) überhaupt gut ist, wie folgt beantwortet: LF dient als Entwicklungsstrategie (Innovationspotenzial), als Professionalisierungsstrategie und schließlich als For ...

In einem der Beiträge (Altrichter/Feindt) zu dem vorliegenden Band wird die simple Frage, wozu LehrerInnenforschung (LF) überhaupt gut ist, wie folgt beantwortet: LF dient als Entwicklungsstrategie (Innovationspotenzial), als Professionalisierungsstrategie und schließlich als Forschungsstrategie. Diese Aspekte haben ihre eigene Geschichte, und der erste Teil des Buches beschäftigt sich mit der Standortbestimmung von LF. Hartmut von Hentig reminisziert in der ihm eigenen Art über den paradigmatischen Lehrer-Forscher-Ansatz seiner ehemaligen Bielefelder Laborschule, Ludwig Huber führt die LF-Idee näher anhand der Koppelung an eine Versuchsschule aus; Schratz hängt die Standortbestimmung vor allem am Beitrag von Stenhouse (und in der Folge Elliott) auf, Nölle liefert einen interessanten Beitrag zur Schnittstellenproblematik (Theorie-Praxis) und Altrichter und Feindt stellen 10 kluge Fragen zur LF.

Schon hier fällt, wie Nölle anmerkt, auf: "Forschung erreicht oft nicht den Unterricht, während wichtige Unterrichtsprobleme in der Forschung vernachlässigt werden." (70). Die Antwort scheint einfach: LehrerInnenforscherInnen und ihre kritischen FreundInnen überwinden alle systemischen Differenzen und forschen und publizieren (und schaffen sich eine Reputation) zum Wohl der Schule, der Universität und der Auszubildenden (ganz klar, die sind zu erwähnen). Dass das nicht so leicht ist, merken alle, die den zweiten Teil des Buches studieren, der Beiträgen zur Schul-, Unterrichts- und Personalentwicklung gewidmet ist. In vielen Beiträgen wird spürbar, dass, sofern die Rahmenbedingungen nicht klar und förderlich sind, die Mühen der Ebene nicht nur groß sind, sondern dass die Ebene selbst weit und unüberschaubar ist. Rahmenbedingungen sind zumindest das, was hierzulande die PFL-Lehrgänge bieten. Als Absolvent von zwei solchen Lehrgängen weiß ich, dass sie so angelegt sind, dass die Selbstausbeutung durch zahlreiche Erfolgserlebnisse kompensiert wird. Dass aber LehrerInnen oft erst das Handwerkszeug lernen müssen, um überhaupt forschungsfähig zu werden, ist etwas, das einem unangenehm aufstoßen mag (immerhin ist man ja AkademikerIn), das aber vom Nimbus des Unfassbaren entkleidet werden kann. Und so zeigen die Beiträge des zweiten Teils, dass viele Vorhaben in der LehrerInnenforschung tatsächlich umsetzbar sind, vor allem dann, wenn an Kooperationen, an Dialog, an Vernetzung, an Teamarbeit gedacht wird. In einem Beitrag heißt es klug: "Pädagogen sind Weltmeister im Formulieren guter Absichten." (201) Aber die meisten Arbeiten zeigen, dass, sofern ein Grundbedürfnis abgedeckt wird (Wie kann ich eine Schule positionieren? Wie kann ich etwas besser gestalten? Wie kann ich internationale Ergebnisse kennen lernen?), aus den guten Absichten auch greifbare Ergebnisse werden. Natürlich liegt es im Wesen eines Sammelbandes, dass manche Beiträge weniger ansprechend sind als andere. Bisweilen schleichen sich doch der schlechte Pädagogenstil und/oder die blauäugige Weltsicht ein. Und wenn verschämt steht, dass diese oder jene Institution besser eingebunden gehörte, dann weiß man als erfahrene/r LeserIn, dass sich besagte Institution aber auch schon um gar nichts gekümmert hat. Aber es ist eigentlich allen 14 Beiträgen der 25 AutorInnen (ganz besonders möchte ich da jenen von Franz Kroath über Reflexionskompetenz hervorheben) anzumerken, dass sie auf solider, ehrlicher, wohl durchdachter Arbeit beruhen. Wenn Sie als LeserIn auch das sprichwörtliche Körnchen Salz bereit halten, so bleibt ein anregendes Buch, das vor allem von jenen mit Gewinn gelesen werden wird, die sich schon ein bisschen mit LF auseinandergesetzt bzw. einen einschlägigen Lehrgang absolviert haben.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/paedagogik/detail/lehrerinnenforschung-theorie-braucht-praxis-braucht-praxis-theorie.html
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