Die Kunst, Kinder zu kneten. Ein Rezeptbuch der Pädagogik

"Die Geschichte der Kindheit," zitiert Palla den amerikanischen Familienforscher Lloyd de Maus, "ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen." Von vielen dieser Alptraum-Episoden lesen wir in diesem Buch, in dem übrigens viel, ja sehr viel zitiert wird. Palla beginnt in Sparta, widmet der ...

"Die Geschichte der Kindheit," zitiert Palla den amerikanischen Familienforscher Lloyd de Maus, "ist ein Alptraum, aus dem wir gerade erst erwachen." Von vielen dieser Alptraum-Episoden lesen wir in diesem Buch, in dem übrigens viel, ja sehr viel zitiert wird.
Palla beginnt in Sparta, widmet der Schönen Neuen Welt (den Utopisten) breiten Raum, springt ins zaristische Rußland, dann zu Basedow und Salzmann. Kuriose Zwischenspiele über Samurais und Inuits folgen. Schrebers zahllose Geradehalter machen einer Schilderung von afrikanischer Stammeserziehung Platz, Militär und Werkstoff Eisen, der Schuhfabrikant Bat'a und Malinowski kommen zu Wort, bis wir schließlich beim Nationalsozialismus angelangt sind. Beschlossen wird das Buch mit einem Bericht über Kinderläden, hübsch mit "Der lange Marsch durch die Illusionen" betitelt.
Wer je eine Geschichte der Pädagogik gelesen hat (ich musste als Schüler etwa Rebles Übersicht lesen), dem wird sich nichts wirklich Neues in diesem Buch bieten. Palla stellt die einzelnen Systeme vorwiegend anhand von Originalzitaten dar, und es wäre kein Band der - wie immer sorgfältig gemachten - "Anderen Bibliothek", würde dies nicht auch typographisch (mehr als) deutlich gemacht: Zitate sind halb­fett in der Korpus Gill Grotesk gesetzt und schon von weitem als solche zu erkennen.
Pallas Buch ist leicht lesbar und zeigt, dass Erziehung immer wieder zu rigiden Konzepten zusammengefasst wird; je geplanter, so der Eindruck, desto unmenschlicher, je 'zivilisierter', desto grausamer. Fatal, wie man sich beim Kapitel 'Militär' an die Ordnungswünsche mancher auch in unseren Schulen heute erinnert fühlt. Noch fataler, wenn sich die Unbedingtheit von Entwürfen auch mit Manifesten aus heutigen Tagen deckt. (Ich denke da etwa an das Werteprogramm der Tories im vorigen Jahr.)
Wer also auf angenehme Weise an viel Unangenehmes und Grausames aus der Geschichte der Pädagogik erinnert werden will, wer sich gleichzeitig in seinem Eifer, Kinder zu kneten, gebremst sehen will, der kann dies mit dem vorliegenden Band ausführlich tun.
Im Übrigen ist's ein gutes Geschenk für Lehrer/-innen, die mit prodesse et delectare-Büchern zu erfreuen sind."

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/paedagogik/detail/die-kunst-kinder-zu-kneten-ein-rezeptbuch-der-paedagogik.html
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