Ach, die Werte. Über eine Erziehung für das 21. Jahrhundert

Ach, wie gut, dass es von Hentig gibt! Aus seinen Büchern lassen sich so schön einzelne Sätze zitieren, sodass die Ministerin, der Ministerialrat, der Technophobe, die Technophile, der Schulrat, die Reliogionslehrerin, der Bewahrer und die Erneuerin allesamt sich auf von Hentig berufen können. W ...

Ach, wie gut, dass es von Hentig gibt! Aus seinen Büchern lassen sich so schön einzelne Sätze zitieren, sodass die Ministerin, der Ministerialrat, der Technophobe, die Technophile, der Schulrat, die Reliogionslehrerin, der Bewahrer und die Erneuerin allesamt sich auf von Hentig berufen können. Was in "Bildung" begonnen hat, wird in diesem Buch fortgesetzt: grundsätzliche pädagogische Überlegungen, eingebettet in einen größeren politischen und 'philosophischen' Zusammenhang. Genau das ist es, was von Hentigs Buch so lesenswert macht - dass sich ein profilierter Pädagoge nicht scheut, quere, naive, raffinierte, überraschende Überlegungen anzustellen, denen man ungeniert folgen oder widersprechen kann. Natürlich bin ich immer wieder nicht seiner Meinung (v.a. im Technologiebereich simplifiziert er ebenso wie seine Gegner), aber er versteht es doch immer wieder die Hohlheit gegenwärtiger Bildungs- und Wertedebatten mit wenigen Strichen darzulegen. Dabei überlegt von Hentig nicht nur, wie es möglich sein kann, dass Jugendliche die "Tauglichkeit von Tugenden erfahren", ungeachtet der Tatsache, dass Erwachsene dies oft konsequent durch ihr Handlen verhindern, er setzt sich - vermittels zahlreicher klarer Thesen - mit der Einbettung pädagogischen Tuns in politisches Tun auseinander. Noch dazu ist er sich dabei einer doppelten Schwierigkeit bewusst: "Wer Pädagogen sagt, was sie tun sollen, hat es doppelt schwer: Er weckt ihren Widerstand, und er muss angeben, wie es geht." (100) Aber dieses Wissen hilft ihm, mit dem Leser/der Leserin einen luziden Dialog zu führen und ihn/sie zum steten Prüfen des Wissens zu ermuntern.

"Ach, die Werte" (im Übrigen ein herrlicher Titel) kommt hierzulande zum richtigen Zeitpunkt; ich bin überzeugt, dass in der Debatte um den Ethikunterricht Befürworter/-innen und Gegner/-innen freudig van Hentig zitieren werden - ich selbst freue mich über seinen Hinweis auf die Nikomachische Ethik, die sehr religionslos daherkommt - und auch im "Schulheft 93" zum Thema "Ethikunterricht" ist die entsprechende Passage aus von Hentigs Buch abgedruckt.
Kurzum: Selbst wenn ich mich nicht immer mit dem Stil des Autors anfreunden kann (mit diesen bildungsbürgerlichen Einstreuungen, wie z. B. anzuführen, dass die letzte Eiszeit Würm genannt wird, weil er offensichtlich fürchtet, dass man das in der Schule von heute nicht mehr lernt), so lese ich seine Bücher immer wieder mit Vergnügen und mit Gewinn. Besseres lässt sich eigentlich über einen Autor oder ein Buch nicht sagen....

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/paedagogik/detail/ach-die-werte-ueber-eine-erziehung-fuer-das-21-jahrhundert.html
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