Was soll man da zuerst sagen, außer: Die Frau kann einfach schreiben! Oates ist ja ein Phänomen – zahlreiche Romane, noch mehr Kurzgeschichten, die unterschiedlichsten Thematiken, jedes Manuskript zuerst mit der Hand geschrieben, eine Professur in Princeton und ein Leben wahrscheinlich auch noch.

Sieht man sich den Titel an, denkt man wahrscheinlich an brav literaturwissenschaftlich inspirierte Geschichten, aber Oates verblüfft uns mit Einblicken in diese fünf Leben – und das zum Teil in kongenialer Sprache – die in uns sofort eine ungeheure Neugier über das, was wir bereits wissen hinausgehend, hervorruft.

Poe findet sich als Teil eines Experiments in einem einsamen Leuchtturm wieder, Emily Dickinson fristet eine Existenz als “Replik” bei einem Ehepaar, das sich in seinen Erwartungen enttäuscht sieht, Twain kämpft erfolglos gegen seine pädophilen Neigungen, James entdeckt bei der Betreuung von Schwerverwundeten im Ersten Weltkrieg eine neue Seite an sich, und Hemingway deliriert seinLeben nochmals durch, bevor er in Ketchum zur Waffe greifen wird.

Oates öffnet uns die Augen – nicht für die Wahrheit, aber für die (alltäglichen) Abgründe. Für die Sehnsüchte, Eitelkeiten und Misserfolge, die Hilflosigkeiten und kleinen Triumphe.

Für mich ist die Dickinson-Episode die gelungenste, sie muss auch die Leser/innen, die von all den genannten Figuren gar nicht wissen, mitreißen. Und nochmals: Oates kann schlicht und einfach erzählen. Exzellent erzählen. Danke für diese Produktivität!

Stories About the Last Days of Poe, Dickinson, Twain, James, and Hemingway.- New York: HarperPerennial 2009; pp. 235+32