The Pesthouse

"Will you love him when there is no loving to be had?" Ja, selbst dann.
Jim Crace, einer der besten Gegenwartsautoren, entführt uns diesmal in ein mittelalterliches, enttechnologisiertes, von einer Seuche (the flux) heimgesuchtes Amerika.
In der Tat gibt es dort wenig Liebenswertes. Die Mensch ...

"Will you love him when there is no loving to be had?" Ja, selbst dann.

Jim Crace, einer der besten Gegenwartsautoren, entführt uns diesmal in ein mittelalterliches, enttechnologisiertes, von einer Seuche (the flux) heimgesuchtes Amerika.

In der Tat gibt es dort wenig Liebenswertes. Die Menschen fliehen allesamt an die Ostküste, um zu einem der Schiffe zu gelangen, sie ins ersehnte Land jenseits des Meeres zu bringen. Aber der "Dreaming Highway" ist voller Gefahren – Wegelagerer, Ausbeutung, Wucherer, stets den Unbilden der Natur ausgesetzt sein, Krankheit und (gewaltsamer) Tod lauern um jedes Eck: All das steht den Reisenden bevor. Auch die hünenhaften Brüder Franklin und Jackson stolpern durch diese apokalyptische Landschaft, die von Crace meisterlich eingefangen wird. Schon in dem großartigen "Quarantine" stolperte ein kleiner Galiläer durch die Wüste, um dort vierzig Tage zu fasten, in "Being Dead" liegt das ermordete Ehepaar in den Dünen und schafft damit Leben; hier sind es die traurigen Erben jener, die einst gegen Westen zogen. Jackson verschwindet unspektakulär – als nebenbei registrierte Tatsache. Allein der erste Satz des Buches lässt da wenig Hoffnung aufkommen: "Everybody died at night." Aber in Franklin lebt doch noch ein Funken von der längst verloren geglaubten Hoffnung. Wegen einer Beinverletzung lässt er Jackson alleine gehen, um Essbares zu besorgen, zieht sich in eines der Pesthäuser am Rande der Siedlung zurück, wo er auf die 30+-jährige Margaret trifft, die – von Kopf bis Fuß geschoren – dort ausharrt, um darauf zu warten, ob sie "the flux" überleben kann oder nicht. Sie überlebt vorderhand – wenn auch niemand von der Siedlung das gleiche Glück hat. Margaret und Franklin ziehen gemeinsam nach Osten, doch ist ihr scheues Sich-Einander-Annähern nur von kurzer Dauer. Franklin wird gefangen genommen und muss Sklavenarbeit verrichten, Margaret und ein Kleinkind fliehen weiter. Eine wundersame Fügung bringt sie wieder zusammen, doch als sie das Meer erreichen, wird schnell klar: Es gibt keine gemeinsame Zukunft jenseits des Ozeans. Und auch wenn der Roman nun ein bisschen ins Pathetische abdriftet, so bleibt doch bis dahin eine ausgezeichnete Variante des ewigen "There – and back again?"

Fast liest sich "The Pesthouse" wie ein Abenteuerroman, aber Crace verweigert uns konsequent die wesentlichen Handlungsmomente der Gattung. Franklin ist ein kindlicher Hüne, keiner, der dreinschlagen kann. Margaret ist keine strahlende Heldin, die Herzen entflammt. Und die Familie ist vorgetäuscht, die Idylle mehr eingebildet als gelebt. Dafür bewegen wir uns mit einem Tempo und einer Radikalität durch ein verwüstetes Amerika, das ganz sichtbar in eine Frühzeit zurückgekehrt ist und uns dabei immer wieder daran denken lässt, wie viel Rückentwicklung die Vereinigten Staaten im Moment gerade durchmachen, wie sehr sie den Weg zur Apokalypse gerade ebnen.

Wie gesagt, man mag dem Roman vorwerfen, dass er eine gefälligen Pfad von der Apokalypse zur Apotheose einschlägt – aber er entschädigt mit so viel meisterlicher Detailarbeit, mit einem kühnen Entwurf, mit bisweilen fast selbstverliebter Spracheleganz und nicht zuletzt ganz einfach mit Spannung. Mit "The Pesthouse" knüpft Crace wieder an seine großen Erfolge "Quarantine" und "Being Dead" an; man kann gespannt auf die weitere Entwicklung des minutiösen Beobachters Crace warten.

London: Picador 2007

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.05.2007
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