Wie passend, dieses Buch während meiner Neuengland-Reise zu lesen! O'Nan gibt den nebeligen Charme, die grundsätzliche Leere der Ortschaften, den einförmig-beruhigenden Tages- und Nachtablauf auf bemerkenswert atmosphärische Weise wieder.

Halloween und Jahrestag eines Autounfalls, bei dem drei Jugendliche ums Leben kamen. Zwei haben überlebt: Tim, nahezu unverletzt, der aber eben die Tatsache, dass er heil davon gekommen ist, nicht ertragen kann; und Kyle, der mit einem schweren Hirnschaden überlebt hat.

Wir verfolgen alle fünf, denn die drei Toten begleiten die Lebenden auf Schritt und Tritt, ohne dass die sich dessen bewusst sind. Danielle, Toe und Marco begleiten aber auch Kyles Mutter, die nicht so recht weiß, wie sie mit diesem Sohn, den sie vom Spital "geliefert" bekommen hat, umgehen soll. Und sie begleiten auch den Polizisten Brooks, dessen Mitschuld am Unfall sich allmählich enthüllt. Der Jahrestag verlangt ein weiteres Opfer, doch es bleibt bis zum Schluss offen, wer dieses Opfer sein könnte.

O'Nan hat in der Tat (wie es auch der Klappentext suggeriert, der Ray Bradbury und Shirley Jackson als Vorbilder nennt), ein Genre kräftig wieder belebt, von dem heutzutage eher selten die Rede ist: "the gothic novel!"

Das Bizarre des Alltags, die Düsterkeit, die Schwermut, die fließenden Grenzen, der Einbruch des Unheimlichen in die Wirklichkeit, all das in einer raunenden und fesselnden Erzählweise wiedergegeben, machen aus dem Roman ein unglaublich geschlossenes kleines Meisterwerk.

Wen wundert's, dass ein berühmter Neuengländer voll des Lobes für das Buch ist: Stephen King schafft es nämlich kaum mehr ein Buch mit so viel Subtilität und Durchkomponiertheit vorzulegen. Unbedingt überprüfen, ob King und ich Recht haben.