The Next Big Thing

Als ich einen Blick auf den Klappentext des Buches - ich hatte es geschenkt bekommen - warf, war ich zunächst etwas skeptisch: War die Frage, was ein 73-jähriger Mann mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte, wirklich das, was mich vorrangig interessierte?Als alter Brookner-Fan und weil ich de ...

Als ich einen Blick auf den Klappentext des Buches - ich hatte es geschenkt bekommen - warf, war ich zunächst etwas skeptisch: War die Frage, was ein 73-jähriger Mann mit dem Rest seines Lebens anfangen sollte, wirklich das, was mich vorrangig interessierte?
Als alter Brookner-Fan und weil ich dem "geschenkten Gaul" doch ins Maul schauen wollte, begann ich zu lesen und verspürte bald eine eigene Form von Spannung, die bis zum Ende des Buches anhielt. Im absoluten Mittelpunkt dieses neuesten Romans von Anita Brookner steht also ein 73-Jähriger: Julius Herz, der in jungen Jahren mit seiner Familie aus Berlin nach London emigrierte, wo er fortan unter den schützenden Händen des etwas mysteriösen Ostrovski lebt. Durch ihn bekommt er Arbeit, Wohnung und letztlich auch ein lebenslanges finanzielles Auskommen. Herz' Leben könnte allerdings unaufregender nicht sein; die gemeinsame Arbeit mit seinem Vater in dem kleinen Musikgeschäft interessiert ihn nicht wirklich und seine Freizeit widmet er ausschließlich der Betreuung von Eltern und Bruder (einst als Geigenvirtuose gehandelt, vegitiert dieser nun seinem Verfall entgegen). Zwischendurch ist er kurz und wohl auch nicht wirklich glücklich verheiratet. Der Kontakt zu Josie, der ersten und einzigen Ehefrau in seinem Leben, bleibt jedoch bis zuletzt aufrecht. Daneben gibt es allerdings noch eine zweite Frau, die ihn, vorwiegend in seinen Gedanken, ein Leben lang begleitet: seine Cousine Fanny. Josie und Fanny verkörpern für Herz die beiden Kategorien, in die sich seiner bescheidenen Erfahrung nach Frauen einteilen lassen: "those like Fanny who tormented one and those like Josie who offered refuge from such torment".
Wie sein ganzes bisheriges Leben scheint nun auch das, was ihm noch davon verblieben ist, nicht wirklich beneidenswert zu sein. Um der Monotonie und Einsamkeit (Eltern und Bruder sind schon längst tot) zu entkommen, schafft er sich mühsam eine Art Tagesroutine und versucht am Leben, das sich rund um ihn und ohne sich um ihn zu kümmern entfaltet, ein bisschen mitzunaschen. Aber als ein Brief von Fanny kommt - sie ist mittlerweile zum zweiten Mal verwitwet und in einen finanziellen und wohl auch emotionalen Engpass geraten - erscheint für Herz ein neuer Hoffnungsschimmer am Horizont...
Das alles wird streng aus der Perspektive von Herz erzählt; sämtliche Vorfälle werden durch seine Wahrnehmung gefiltert, wir erfahren ausschließlich etwas von seinen Gedanken und Gefühlen und es ist recht erstaunlich, wie gut sich Brookner in die Lage dieses 73-jährigen "Losers" hineinversetzen kann. So entsteht eine recht komplexe Charakterstudie von allgemein menschlichem Interesse, die mit dem für Brookner typischen erzählerischen Geschick (und viel Retrospektive) entfaltet wird. Doch letzlich gilt für die Figur des Julius Herz das, was für den Roman als Ganzes zutrifft: nett, aber nicht wirklich packend; wohlwollende Anteilnahme hervorrufend, aber wohl kaum Begeisterungsstürme entfachend.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
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