The Narrow Road to the Deep North

Autor FLANAGAN, Richard

Verlag New York: Alfred J. Knopf 2014

Dies ist also der Gewinner des Booker 2014, und diesmal habe ich weniger Vorbehalte als in den vergangenen Jahren.

Ich habe bereits Flanagans „Gould’s Book of Fish“ mit großem Vergnügen gelesen, und auch mit dem vorliegenden Buch hat er eine Geschichte geschrieben, die sich in gewisser Weise fast von selber schreibt und ausgesprochen spannend – und bedrückend! – zu lesen ist.
Ein Teil des Romans basiert offensichtlich auf den Erzählungen von Flanagans Vater, der einer der Kriegsgefangenen der Japaner war, die zu Ehren des Kaisers die Burma-Eisenbahn bauen ließen, und bei deren Bau zigtausende Menschen ums Leben kamen. (Die romantisierende Fassung kennen wir als Hintergrund zu „The Bridge on the River Kwai“.)
Die eigentlichen Protagonisten sind somit der Dschungel, das Elend, das Leid, die unvorstellbare Gewalt, die Unfassbarkeit, was Menschen einander antun können. Hunger, Scheiße, Schlamm, Verzweiflung, Dauerregen, Dauerfolter, wahnwitzige Operationen stehen winzigen Momenten des „Glücks“ gegenüber: ein gestohlenes Entenei, ein fauliger Klumpen Reis.
Natürlich gibt es die Männer, die sich in dieser Welt bewegen (müssen): Die japanischen Befehlshaber, die stets unter Druck von oben stehen; die australischen POWs, die in ihrer Individualität kunstvoll gezeichnet sind. Allen voran ist da Dorrigo Evans zu nennen, der so etwas wie ein Anführer wird, obwohl er sich für schwach hält. Aber er begreift Rollen – nicht nur die eigene. Flanagan begleitet diese Männer beim Überleben, beim Sterben – und zum Teil beim kuriosen Weiterleben nach dem Krieg. So findet sich Dorrigo zu seiner Verblüffung als Berühmtheit, als Kriegsheld, wieder.
Konterkariert wird diese Orgie der Gewalt durch zahlreiche Flashbacks und Flashforwards, in der von Dorrigos überhöhter Liebe zu Amy, der Frau seines Onkels, erzählt wird. Schuldhaft wird für ihn diese Liebe, weil er ja eigentlich Ella versprochen ist, deren Familie den jungen Arzt aus armen Verhältnissen freundlich aufgenommen hat. Die Frage, die uns dabei beschäftigt – muss der Held immer zu seiner Penelope zurückkehren oder winkt die Freiheit der großen Liebe?
Zwischendurch finden wir Auszüge aus Tennyson und zahlreiche wunderbare Haikus (der Titel des Romans geht übrigens auf Basho zurück).
Insgesamt hat mir das Buch ausnehmend gut gefallen (auch wenn es sogar die Liebesgeschichte hätte verschmerzen können). Eigentlich lese ich Kriegsgeschichten nur ungern, aber diese macht einen wirklich schaudern – und entlohnt mit ein paar lyrischen Intermezzi.
Und ganz persönlich habe ich die Idee des Todesgedichts mitgenommen – offensichtlich verfasst ein Japaner, der etwas von sich hält, vor seinem Ableben ein Todesgedicht (für die Nachwelt, nehme ich an). Ein tröstlicher Gedanke, wie ich meine.

pp. 352

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.11.2014
Link
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