The Clothes on Their Backs

Fast acht Jahre ist es her, dass ich Grants " When I Lived in Modern Times" gelesen habe, und die positive Erinnerung und die Tatsache, dass sich das vorliegende Buch auf der Booker-Shortlist findet, verpflichtet einen ja fast zur Lektüre.
Der interessante Titel verspricht leider mehr, als er z ...

Fast acht Jahre ist es her, dass ich Grants " When I Lived in Modern Times" gelesen habe, und die positive Erinnerung und die Tatsache, dass sich das vorliegende Buch auf der Booker-Shortlist findet, verpflichtet einen ja fast zur Lektüre.

Der interessante Titel verspricht leider mehr, als er zu halten vermag – zumindest im Hinblick auf Kleidung und Identität. Wir beginnen die Geschichte zwar in einer Boutique, aber der eigentliche Erzählstrang setzt erst mit dem dritten Kapitel ("Until I was 10 I was completely unaware that I had a relative.") ein. Vivien erinnert sich an die 70er-Jahre, an ihre Jugend und an den berüchtigten Onkel Sándor Kovacs, der 1956 als Flüchtling aus Ungarn nach London kam, wo er zu einem sogenannten "slumlord" aufstieg, einem Geschäftsmann im Dunstkreis des Verbrechens. Schließlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, lernt er – ohne sie zu erkennen – seine Nichte Vivien kennen, die mit ihrem abgeschlossenen Literaturstudium keine Arbeit findet. Sie zeichnet seine Memoiren auf.

Vivien kennt ihren Onkel nicht, weil ihre Eltern, jüdische Ungarn und vor dem Krieg nach London geflüchtet, mit ihm nichts zu tun haben wollen. Sie setzen auf Zurückgezogenheit und erziehen Vivien völlig abgeschottet von der Außenwelt. Erst mit Sándor, der Viviens heile Welt mit Verunsicherung aufbricht, lernt sie mehr vom Leben – vor allem aber lernt sie, dass sie eine Geschichte, eine Vergangenheit hat. Ironischer Weise ist Viviens Mann bei der Hochzeitsreise gestorben, und sie hat als ganz junge Witwe auch hier nicht eine eigenständige Vergangenheit aufbauen können. So also lässt sie sich von Sándor faszinieren, der seine Verbrechen in einen größeren Kontext stellt, der uns viel von seiner Geschichte, von der Verfolgung der Juden in Ungarn, vom Leiden und Streben allgemein erzählt. Gebrochen wird diese Erzählung durch die Darstellung des Erstarkens der National Front. Anders als ihre Eltern wehrt sich Vivien, anders als ihr Onkel wehrt sie sich einigermaßen besonnen. Ihm wird sein Zorn letztendlich zum Verhängnis.

Das Buch ist auch am stärksten in jenen Szenen, wo von Verfolgung die Rede ist, wo die Unverschämtheit der Skins durchbricht, wo sich der Roman auch als Parallele zu heute lesen lässt. Ansonsten ist "The Clothes on Their Backs" eine leicht behäbig erzählte Geschichte, die fesselt, ohne wirklich zu begeistern. Gepflegte Lektüre halt, die sich nahtlos in die zahlreichen Beispiele englischer Gegenwartsliteratur einreiht, die die Gegenwart eher im vorigen Jahrhundert sieht als jetzt.

London: Virago 2008

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.12.2008
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/the-clothes-on-their-backs.html
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