Solar

Vierzehn Tage nach der Lektüre setzte ich mich hin, um die Rezension zu schreiben, und muss feststellen, dass ich mich frage: Worum ging’s denn schnell?
Achja, die Geschichte mit dem Physiker etc. Ich weiß nicht, ob das etwas über die Qualität des Romans oder nur etwas über die Qualität meines ...

Vierzehn Tage nach der Lektüre setzte ich mich hin, um die Rezension zu schreiben, und muss feststellen, dass ich mich frage: Worum ging’s denn schnell?

Achja, die Geschichte mit dem Physiker etc. Ich weiß nicht, ob das etwas über die Qualität des Romans oder nur etwas über die Qualität meines Hirns aussagt, denn höchst unterhaltsam war ja McEwans neuer Roman zu lesen, aber wirklich festgekrallt hat er sich offensichtlich nicht. Liegt das daran, dass er sich wie ein bemühterer Ben Elton liest? Oder daran, dass ich den Kopf von zu vielen ‚campus novels‘ voll habe, denn auch wenn der Protagonist dem Campus schon längst entsagt hat, so finden sich doch viele Elemente der campus novel in „Solar“ wieder.

Wie auch immer – es ist, wie gesagt, ein unterhaltsamer Roman, der vielleicht ein klein wenig zu lang geraten ist. (Die Szene etwa, wo sich jemand an den Chips eines anderen bedient, dauert bei Adams eine halbe Seite, hier mehrere Seiten.)

Protagonist des Romans, der die Jahre 2000 bis 2009 umfasst, ist Michael Beard, ein gefräßiger Mensch in jedem Sinn: Er frisst und säuft sich fett, verbraucht eine Frau um die andere, stiehlt Ideen von Studenten (in diesem Fall eine epochemachende Version der Energie-Herstellung) und ist generell so unsympathisch und egozentrisch, wie man eben nur (als Mann) sein kann.

Dabei geht er – im wahrsten Sinn des Wortes – über Leichen. Ironischerweise wird er zum Experten für Energiegewinnung (als junger Physiker hat er immerhin den Nobelpreis gewonnen), nicht, weil er an das Gute, an die Wissenschaft, an die Welt glaubt, sondern weil er stiehlt und trickst und reich werden will. Als er 2009 in New Mexico die revolutionäre Idee der Energiegewinnung umsetzen will, kommt es zum Finale zwischen Farce und Slapstick.

Slapstick gab es schon vorher, bei der Polarexpedition; und wo die Farce beginnt, kann man sich immer wieder aussuchen. Was McEwan darüber hinaus liefert, ist solides Beschreiben wissenschaftlicher Erwägungen (da merkt man erst, dass so ein Roman nicht aus dem Ärmel zu schütteln ist), ein detailverliebtes Beschreiben von Zuständen und Vorkommnissen (nicht immer gerechtfertigt) – und ein Buch, das, weil gehobene Strandlektüre, sicherlich viel Zuspruch finden wird. An die Komplexität von „Atonement“ etwa oder das Bedrückende von „The Comfort of Strangers“ reicht es bestimmt nicht heran. Aber das muss es ja auch nicht, oder? Für den nächsten Urlaub einpacken.

London: Jonathan Cape 2010; pp. 283

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
07.02.2011
Link
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