Wenn etwa der Roman mit „The rest is chaos“ endet, kann man wohlgefällig nicken; aber viel interessanter ist, wie er beginnt. Das hat McEwan selbst auch gefunden, denn vorerst war da nur dieser erste Satz: „So here I am, upside down in a woman.“ Auf diese Weise lernen wir einen unüblichen Erzähler kennen – den Embryo in Trudys Leib, von dem wir lange nicht wissen, ob es ein Erzähler oder eine Erzählerin ist.

Der Embryo also nimmt auf, was er von der Welt mitbekommen kann – die vielen Radiosendungen und Podcasts, die Trudy, hört, die vielen Gespräche, aber auch die zahlreichen Gläser vom Pinot noir und vom Sancerre. Wir haben es also mit einem ziemlich klugen und gebildeten Erzähler zu tun, der in folgende Situation hineingerät. Der Vater ist John Cairncross, angeblich erfolgloser Poet und Verleger. Er lebt von Trudy, die in den letzten Tagen ihrer Schwangerschaft ist, getrennt; Trudys häufiger Besucher ist Johns Bruder, Claude, der mit Trudy schon seit längerem ein Verhältnis hat. Auftritt John, der will, dass Trudy das Haus verlässt, auf das sie und Claude spekuliert haben, denn der Verkauf soll mehrere Millionen einbringen. John muss also weg – und der nahezu hilflose Embryo ist dem Treiben ausgeliefert.

Das ist so unterhaltsam, gekonnt, locker und spannend erzählt, dass man sich wünscht, das Buch wäre nicht so schnell zu Ende. Aber McEwan liefert uns nicht nur ein Hamlet-Update aus dem Jahre 2015 (dessen Akteure zum Teil aus der Zeit gefallen sind), sondern auch einen kleinen Nachhilfekurs in Lyrik, denn John kennt sich aus und kann etwa 1000 Gedichte zitieren. Elegische Untertöne, satirische Seitenhiebe (die Eulendichterin etwa) und eine klug gebaute Geschichte machen das Buch zur vergnüglichen Pflichtlektüre.

pp. 208