Notes on a Scandal

Unmittelbar nach Hellers Buch, das ich ja schon längst lesen wollte (eigentlich seitdem es für den Booker 2003 auf der Shortlist war), habe ich Robert B. Parkers "School Days" gelesen, in dem Spenser eine Schulpsychologin als 'child molester' enttarnt. Die Psychologin hatte kein Unrechtsbewussts ...

Unmittelbar nach Hellers Buch, das ich ja schon längst lesen wollte (eigentlich seitdem es für den Booker 2003 auf der Shortlist war), habe ich Robert B. Parkers "School Days" gelesen, in dem Spenser eine Schulpsychologin als 'child molester' enttarnt. Die Psychologin hatte kein Unrechtsbewusstsein, die Heldin von Hellers Buch, die etwa 40-jährige Werklehrerin Sheba, weiß sehr wohl, dass sie im Unrecht ist, als sie ein Verhältnis mit einem ihrer Schüler beginnt. Lange Phasen der Selbsttäuschung machen dann doch der bitteren Realität Platz – die Affäre wird ruchbar, Sheba verliert ihren Arbeitsplatz und ihre Familie und erlangt traurige Berühmtheit in den Massenblättern.

Soweit das Skelett der Geschichte; was aber Heller daraus macht, ist eine unglaublich aufregende und differenzierte Geschichte von Obsession; da ist natürlich einmal die Obsession, die Schüler und Lehrerin füreinander hegen, wobei der Schüler natürlich schneller vergisst, als die Lehrerin je vergessen wird können. Das sind kleine Obsessionen, etwa die Macher- und Quälhaltung des widerlichen Direktors oder die nicht minder problematische Art, wie Shebas Ehemann eine Beziehung zu einer Studentin beginnt.

Die wirklich große Obsession ist aber die der Erzählerin und Tagebuchschreiberin Barbara, einer sechzigjährigen Kollegin, als einsam und altjüngferlich präsentiert, die sich Sheba als confidante anbietet und die Situation allmählich so manipuliert, dass Sheba völlig von ihr abhängig wird. Am Schluss bleibt offen, welche Verfehlung die größere ist - die Beziehung mit einem Minderjährigen oder die totale Kontrolle durch eine Ränke schmiedende Sechzigjährige. Gleichzeitig ist das natürlich auch eine Geschichte der Einsamkeiten, die uns selbst im sicheren Rahmen einhüllen können.

Heller hat aber nicht nur großartige Psychogramme zu Papier gebracht, auch die Art, wie sie erzählt, diese Mischung aus geradlinigem traditionellen Roman und lauerndem Tagebuch trägt enorm zur Qualität des Buches bei. Distanziertheit und Anteilnahme ergeben einen Schwebezustand, der schon handlungsunabhängig genug Spannung in sich trägt; dass dazu ein Damoklesschwert kommt, macht die Erzählung selbst natürlich zudem spannend.

Schade, dass wir nicht immer dazu kommen die lesenswerten Bücher gleich zu lesen und sie u.U. jahrelang am Regal verstauben, weil immer neue lesenswerte auftauchen; ein Glücksfall, dass ich das Buch doch noch hervorgekramt habe.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.01.2006
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/notes-on-a-scandal.html
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