Netherland

Das ist ein kluger, vielschichtiger, sprachlich fast immer höchst differenzierter Roman, aus dem sich dementsprechend viel Unterschiedliches mitnehmen lässt. Schon der Titel spielt mit den Versatzstücken: Hans van den Broek, ‚Held’ der Geschichte, ist Niederländer und lebt nach der Trennung von ...

Das ist ein kluger, vielschichtiger, sprachlich fast immer höchst differenzierter Roman, aus dem sich dementsprechend viel Unterschiedliches mitnehmen lässt. Schon der Titel spielt mit den Versatzstücken: Hans van den Broek, ‚Held’ der Geschichte, ist Niederländer und lebt nach der Trennung von seiner Frau Rachel (einer leicht überdrehten Engländerin) in New York, auch in einem seltsamen Zwischenreich, seltsamer durch 9/11 geworden. Durch Zufall gerät er dort in eine Cricket-Community und lernt den etwas dubiosen Trinidad-Amerikaner Chuck Ramkissoon kennen. Die Geschichte beginnt damit, dass Chucks Leiche nach zwei Jahren Abgängigkeit entdeckt wurde, und damit auch Hans seine unmittelbare Vergangenheit zu reaktivieren beginnt.

Es passiert also nicht viel im eigentlichen Sinn – der Roman mäandert durch allerlei Vorfälle, Fügungen, große und kleine Freuden und Verletzungen, durch alltägliche und zugleich fremdartige Schauplätze in New York (meines Erachtens die besten Stellen des Buches). Hand und Rachel driften auseinander, driften zusammen, das gemeinsame Kind immer als Bindeglied, Chuck wächst in eine ein bisschen wundersame Gesellschaft hinein, jene der Cricket Spieler, und er, der als Analyst einer großen Bank arbeitet, lernt damit eine ganz eigene und eigenartige Gruppe von Menschen kennen, in der sicher jeder sein erzählenswertes Schicksal hätte. Das Schöne an dem Buch: Es schwingt immer ein bisschen Trauer darüber mit, dass wir letztendlich nichts halten können; ein paar Erinnerungen vielleicht. Und die Freude an einer Beschäftigung, die uns mit den unterschiedlichsten Menschen zusammenbringt und denen wir nicht nur geschäftlich begegnen. Cricket bekommt einen sozialen Allmachtstatus, wir glauben fast, das Spiel könnte uns all die verloren geglaubten Dinge wieder zurückgeben. „Netherland“ ist nicht der post 9/11-Roman geworden, den sich manche vielleicht erwartet haben. Aber es ist ein Roman geworden, in dem wir herumtreiben können, ohne das Gefühl haben zu müssen, wir könnten gänzlich verloren gehen.

London: Fourth Estate 2008

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Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.08.2008
Link
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