Sie bleibt für fünf Tage, sehr zum Erstaunen von Lucy, die sie nur als harte und wenig gesprächige Frau kennt. Es zeigt sicher aber, während die Mutter am Bett wacht, mit welch abgöttischer Liebe Lucy ihr zugetan ist und wie jede menschliche Regung mit Freude aufgenommen wird.

Lucy stammt aus ganz armen Verhältnissen, die Eltern leben nach wie vor in Illinois, die Geschwister sind Problemfälle für sich, aber Lucy ist in der Welt weiter gekommen. Sie hat eine neue soziale Schicht kennengelernt (zum Teil mit großem Erstaunen), sie ist am Beginn einer schriftstellerischen Karriere, sie fühlt sich in der Familie geborgen. Wir erfahren später, dass die Geschichte retrospektiv erzählt wird und Lucy mittlerweile ein neues Leben führt. Aber das sind alles fast Nebensächlichkeiten. Wichtig ist die Darstellung der Mutter-Tochter Beziehung – keine stürmische, sondern eine die – fast außerhalb der Kommunikation – überdauert. Zwischendurch aber erweist sich die Mutter als Quelle für alle möglichen Klatschgeschichten, sofern sie nicht direkt mit ihr zu tun haben. Während Lucy immer wieder heftige Anfälle der Zuneigung zu allen möglichen Personen verspürt, bleibt die Mutter weitgehend unnahbar.

Strout hat damit nicht nur eine interessante Figur erschaffen, sie hat mit ihrem durchwegs lakonischen Stil (der mich manchmal ein bisschen an Carver erinnert) eine Geschichte geschrieben, die voll feiner Beobachtungen und, ungeachtet der positiven Grundhaltung Lucys, einer ‚infinite sadness‘ ist.

Sehr empfehlenswert!

pp. 191