Morvern Callar

""This novel thing was page after page of words then a number then more pages of words and another number. You had to read to get to the end; you couldn't see the point in reading through all that just to get to an end." Dies sagt Morvern Callar, die in einer eher tristen schottischen Küstenstad ...

""This novel thing was page after page of words then a number then more pages of words and another number. You had to read to get to the end; you couldn't see the point in reading through all that just to get to an end."
Dies sagt Morvern Callar, die in einer eher tristen schottischen Küstenstadt lebt, über den Roman ihres Freundes, der am Anfang des Buches gerade Selbstmord begangen hat. Morvern hat nicht die Absicht, ihr Leben deswegen zu ändern, daher versteckt sie die Leiche zuerst, zerstückelt sie später, gibt den Roman als ihren aus und verbringt mehrere Wochen in der Rave-Szene.
Morvern ist aber kein eiskalt planender Kopf, sondern vermutlich eine der emotionslosesten Figuren der Gegenwartsliteratur, und das nicht aus purer, bewusster Gefühlskälte, sondern einfach deswegen, weil sie eine Analphabetin des Gefühls ist. Ihre paar Emotionen im Laufe des Romans sind an einer Hand abzuzählen, und erst als sie gegen Schluss im Ferienhotel sitzt und mit Körperbräune und Nägellackieren beschäftigt ist, zeigt sie so etwas wie persönliches Interesse. Ihr musikalisches Interesse, ihr Trinken, ihr partying mit Freunden ist Teil einer Alltagskultur, in der sie aufgeht. Wie die Welt, in der sie lebt, tatsächlich aussieht, bleibt etwas verschwommen. Da sitzen die Alten in ihren Wirtshäusern (oder Wohnungen/Heimen), und diejenigen, mit denen Morvern zu tun hat, finden sich mit Namen wie Creeping Jesus, Overdose, Ramraider, Vanessa the Depresser und Tequila Sheila charakterisiert - auch ein Einblick in eine Wirklichkeit. (Daneben läuft vermutlich, wie ein Film, eine andere Welt ab.)
Die Ich-Erzählerin Morvern verwendet meist eine verknappte, wenn man so will, inkorrekte Sprache, die sie immer wieder an Grenzen stoßen lässt (etwa in der Begegnung mit "ihrem" Verleger); fast verwunderlich, dass sie am Schluss, in einer großartigen Kontrastszene zu den "Sonnenseiten" (denen schon eine grausame Darstellung der Aktivitäten in einem Ferienklub vorangegangen ist), in ein Notizbuch schreibt (diese Geschichte etwa?).
"Morvern Callar" ist theoretisch ein Endlos-Roman, der zwischendurch problemlos auf der Stelle treten könnte ("page after page of words", nur die Kapitelnummern fehlen), er ist das Psychogramm eines Menschen eher als eine Erzählung, doch Warner schiebt die Geschichte unmerklich weiter und nimmt sie in seinem nächsten Buch, "The Demented Lands", auch wieder auf. Aber der einzige feste Bezugspunkt in Morverns Leben (und allmählich auch für uns) ist der "goldish lighter", mit dem sie oft und oft eine Silk Cut entzündet. Back to basics, offensichtlich. "

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/morvern-callar.html
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