Maps for Lost Lovers

Keine Frage – das ist ein kontroversielles Buch – und zwiespältig wurde es aufgenommen. Worüber man sich noch am ehesten einigen kann: Aslam ist kein brillanter Stilist, versucht 'poetischer' zu sein als es dem Buch gut tut, bemüht die Metaphorik ein bisschen zu sehr.
Wie "rassistisch" aber ist ...

Keine Frage – das ist ein kontroversielles Buch – und zwiespältig wurde es aufgenommen. Worüber man sich noch am ehesten einigen kann: Aslam ist kein brillanter Stilist, versucht 'poetischer' zu sein als es dem Buch gut tut, bemüht die Metaphorik ein bisschen zu sehr.

Wie "rassistisch" aber ist das Buch, in dem der Islam nicht allzu gut wegkommt?

Viel von der Geschichte, die Romeo&Julia-Motive (auf dem Dorfe sozusagen) enthält, wird durch die Augen der den Traditionen ganz fest verhafteten Ehefrau des eigentlichen Erzählers gesehen.

Wir befinden uns in einer anonymen nordenglischen Stadt (von den vorwiegend pakistanischen Bewohnerinnen und Bewohnern Dasht-e-Tanhaii (so viel wie Wüste der Einsamkeit) genannt. Einsam sind sie alle auf ihre Weise, weil sie entweder ihre vertraute Kultur, ihre Lieben oder ihre Sicherheiten verloren haben.

Die Geschichte beginnt damit, dass Jugnu und Chanda verschwunden sind; an einem Jännermorgen werden Chandas Brüder wegen des Mordes an dem Liebespaar, das "in Sünde" zusammen gelebt hat, verhaftet. Shamas, liberaler Direktor des Comunity-Centres und Jugnus Bruder, seine Frau Kaukub, streng erzogene Tochter eines pakistanischen Geistlichen, und deren drei "verwestlichte" Kinder stehen im Mittelpunkt der Geschehnisse des nächsten Jahres – bis zur Aufklärung des Mordes. Shamas entfremdet sich seiner Frau, Kaukub bejammert den Tag, da sie ins sündhafte England kam, die drei Kinder sind ihre eigenen Wege gegangen und haben nichts Gutes über ihre Traditionen zu sagen. (Und wenn die Hassrede des Jüngsten über bestimmte Vorschriften des Islam auch nur zur Hälfte stimmt, kann ich es ihnen nicht verdenken…)

Kaukub versucht mit allen Mitteln (und die sind eher bescheiden) den bösen westlichen Einflüssen gegenzusteuern und wird dadurch natürlich als schlichter und düsterer Charakter präsentiert. Ein für sie typischer Gedankengang: "Muslims must be alert against such thoughts: Satan, the Father of Woes, is always around, ready to urinate in your mind through your ears the moment he feels you have let your guard down!" (291) Was soll man dazu sagen? Jemand mit so einem Weltbild und so einer Immunisierungsstrategie ist natürlich einem aufklärerischen Diskurs nicht zugänglich. Wozu auch, mag sie erwidern, wenn man glaubt, braucht man keinen Diskurs.

Für mich war die Lektüre der Ausflug in eine fremde Welt - mit dem Unterschied, dass sie in ihrer Realität vermutlich häufiger ist als zB die Gegenwelt eines Bibliomanen oder einer Pferdezüchterin, also mehr Wirkung auf unser aller Zusammenleben hat. Bücher wie dieses, denen von manchen vorgeworfen wird, gegen den Islam zu hetzen (noch dazu durch einen "Nestbeschmutzer"), verstärken in mir keine besondere Abneigung, sondern bekräftigen nur meine Einstellung, dass Religionen insgesamt vermutlich eher mehr Unglück als Glück über die Menschheit bringen. Und so bleibt es mir nach wie vor ein Rätsel, warum man so eifrig darauf bedacht ist, sich gegenseitig unglücklich zu machen, weil man sich einem Vorschriftengebäude verpflichtet fühlt. Auf einer anderen Ebene, das ist schon klar, wird aber sehr bestechend gezeigt, was Tradition und die damit verbundenen Abhängigkeiten aus uns machen, was wir sind – gemäß dem schönen Diktum: "Was wir sind, hat lange vor uns begonnen." Interessante, aber – aus den unterschiedlichsten Gründen - keineswegs erfreuliche Lektüre.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.10.2006
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