Man and Boy

Meine Ausgabe ist die sechsunddreißigste Auflage, ich bin mir also dessen bewusst, dass "Man and Boy" ein äußerst erfolgreiches Buch ist. Gleichzeitig ist es ein schrecklich sentimentales Buch, das ich – bestsellermäßig – eher in die Nähe von Rosamund Pilcher als Alex Garland rücken würde.
"Man ...

Meine Ausgabe ist die sechsunddreißigste Auflage, ich bin mir also dessen bewusst, dass "Man and Boy" ein äußerst erfolgreiches Buch ist. Gleichzeitig ist es ein schrecklich sentimentales Buch, das ich – bestsellermäßig – eher in die Nähe von Rosamund Pilcher als Alex Garland rücken würde.

"Man and Boy" ist die neue Form der laderature, der Lad Lit, Untergattung the novel of whining. Wo bei Sillitoe die lads noch ihr Heil beim Bier suchten, da setzt bei Parsons das sentimentale Denken ein, das Selbsmitleid des Mannes, das uns schon Hornby vorgeführt hat.

Harry Silver ist 30, hat einen Kreativjob (TV Producer), eine schöne Frau (er hat, wohlgemerkt!), die ihm zuliebe ihre Karriere aufgegeben hat (warum eigentlich?), er hat einen vierjährigen Sohn Pat ("my beautiful boy") – und er hat einen one-night stand.

Erbittert verlässt ihn seine Frau Gina, die sich immer nach der kuscheligen Kernfamilie gesehnt hat (weil der böse Papa ein Althippie ist!), und fährt vier Monate nach Japan, wo sie sich prompt in einen Amerikaner verliebt, der gar nicht so böse ist, wie Harry anfänglich meint.

Was tut der brave Harry? Er sorgt für seinen Sohn. Wunderbarerweise hat er plötzlich viel Zeit, weil er arbeitslos ist. Er kauft ein - aber bei ihm reißen die Einkaufssäcke, weil er halt nicht so gut ist wie die Hausfraumutter Gina, die obendrein keine frozen dinners (sind schwer!) gekauft hat. Er wäscht dem Sohn die Haare und bringt ihn zur Schule, wo andere (Hausfrauen)Mütter ihm mit eisigem Schweigen begegnen. Was tut er noch? Er bewundert seinen Vater, den stillen Helden mit der Kriegsmedaille, der am Schluss passenderweise einem Krebsleiden, tapfer versteht sich, erliegt. Und er denkt viel nach: Dabei kommt er drauf, dass seine Generation diejenige ist, die mit they fucked around, fucked up, fucked off zu charakterisieren ist. Zwischendurch gibt es immer wieder Passagen à la Hätten wir doch noch ein paar alte Werte.

Gina kehrt zurück, der Streit ums Kind beginnt: Der edle Harry merkt am Ende, dass das Zeichen der wahren Liebe der Verzicht ist. Aber filmreif genug schwebt ihm am Flughafen die Amerikanerin Cyd, mit der er sich angefreundet hat, samt Ersatzkind zu. Ich werde den Film ziemlich sicher auslassen...

Keine Frage: Es ist ein feel-good-Buch, für Männer, Frauen, Großeltern – und stand-up comedians. Aber "Man and Boy" ist kein Buch, das man mit Preisen beladen sollte, es ist kein Buch, das einen sonderlichen literarischen Wert hätte. Es ist ein Buch für all jene, die tearjerkers lieben, ein Buch, das sich leicht lesen lässt (und daher bei manchen Schülerinnen und Schülern deswegen Anklang finden mag), ein Buch, das Soziologinnen und Literaturdozenten für Lad Lit interessieren sollte, ein Sommerbuch, aber keines, das man gelesen haben muss, wiewohl es interessant ist, sich über den Erfolg eines solchen Buches Gedanken zu machen.

Meta-Daten

Sprache
Deutsch
Anbieter
Education Group
Veröffentlicht am
01.07.2001
Link
https://rezensionen.schule.at/portale/rezensionen/newsletter-fuer-englisch/gegenwartsliteratur/detail/man-and-boy.html
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